Mebe#richt der pelilischen Entwickelung des Jahres 1899. 329
Regierung erwiderte, diese Ruhe sei eben die Folge des Gesetzes,
und sobald es erlösche, würden die alten Tumulte wieder aus-
brechen. Da eine ordnungsmäßige Erledigung nicht zu erreichen
war, vertagte die Regierung die Kammer, und das Gesetz wurde
durch königliches Dekret in Kraft gesetzt.
Schon ehe die Entscheidung hierüber gefallen war, hatte ein
Ministerwechsel stattgefunden. Er war durch die auswärtige Minister-
Politik hervorgerufen. Italien hatte versucht, ein Stück chinefisches E
Gebiet zu erwerben, um sich einen Stützpunkt in Ostasien zu ver= politik.
schaffen, aber die Forderung wurde abgelehnt, da England, auf
dessen Beistand es gerechnet hatte, das Begehren in Peking nicht
unterstützte. Das übereilte Vorgehen des italienischen Geschäfts-
trägers in China zwang die italienische Regierung ihn zu
desavouieren (S. 247). Als diese diplomatische Niederlage in der
Kammer besprochen wurde, reichte der Ministerpräsident Pelloux
die Demission des Kabinetts ein, weil er sah, daß die Mehrheit
die Handlungsweise der Regierung nicht billigen werde. Pelloux
wurde wiederum mit der Kabinettsbildung betraut und gestaltete
sein Ministerium nur wenig um. Der Minister des Auswärtigen
Canevaro fiel als Opfer des mißglückten chinesischen Experiments
und wurde durch Visconti Venosta ersetzt, der in der Kammer
ausdrücklich erklärte, auf jede territoriale Erwerbung in China
verzichten zu wollen. Auf die inneren Angelegenheiten übte der
Ministerwechsel kaum Einfluß, da das neue Kabinett das Vereins-
und Preßgesetz aufrecht erhielt. Die Wiederaufnahme der Kammer-
beratungen hat dem Ministerium noch keine Gefahren gebracht;
die öffentliche Aufmerksamkeit ist gerichtet auf einen Prozeß, der
namentlich über die Rechtspflege und Verwaltung in Sizilien trübe
Bilder enthüllt hat. — In der auswärtigen Politik ist von Be-
deutung, daß das Verhältnis zu Frankreich sich etwas gebessert
hat durch den Abschluß des Handelsvertrages, wofür ein äußeres
Zeichen der Besuch der französischen Flotte in Cagliari ist. In
den Beziehungen zur Kurie hat sich dagegen nichts geändert; zur Kurie.
Milderung der Spannung konnte es nicht beitragen, daß der Papst
auf Antrag Italiens von der Friedenskonferenz ausgeschlossen
wurde.