Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

64 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 16.) 
zu ersuchen, 1. in welchem Umfange gegenwärtig Mannschaften des aktiven 
Heeres zu Aufgaben, welche die militärische Ausbildung beschränken, ver- 
wendet werden müssen; 2. welche Ausgaben für die Beschaffung der etwa 
erforderlichen Ersatzmittel aufgebracht werden müßten. III. Den Herrn 
Reichskanzler zu ersuchen, derselbe wolle in den Etat Mittel einstellen, um 
solchen Infanteriemannschaften, die freiwillig das dritte Jahr oder die 
Hälfte desselben im aktiven Dienste verbleiben, eine Prämie bezw. eine 
höhere Löhnung gewähren zu können. Abg. Lieber (Z.) beantragt: Der 
Resolution III folgende Fassung zu geben: III. Den Herrn Reichskanzler 
zu ersuchen, derselbe wolle in den Etat Mittel einstellen, um 1. statt der 
Mannschaften des aktiven Heeres, die zur Zeit bei den Bekleidungsämtern 
gegen Prämien beschäftigt werden, bürgerliche Handwerker gegen Lohn zu 
beschäftigen; 2. solchen Infanteriemannschaften, die freiwillig das dritte 
Jahr oder die Hälfte desselben im aktiven Dienste verbleiben, eine Prämie 
bezw. eine höhere Löhnung gewähren zu können; ferner folgende Reso- 
lution IV anzunehmen: IV. Die Bereitwilligkeit auszusprechen, wenn sich 
bei Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes die nachweisliche Unmöglichkeit 
ergeben sollte, mit der Friedenspräsenzstärke von 495 500 Gemeinen, Ge- 
freiten und Obergefreiten die zweijährige Dienstzeit bei den Fußtruppen 
aufrecht zu erhalten, alsdann nötigenfalls auch noch im Laufe der 
Geltungsdauer des § 2, in erneute gesetzgeberische Erwägungen über Be- 
messung der Friedenspräsenzstärke mit den verbündeten Regierungen ein- 
zutreten. 
Kriegsminister, Generalleutnant v. Goßler: Die Entscheidung über 
die Militärvorlage soll am heutigen Tage erfolgen, eine Entscheidung, die 
auf 5 Jahre die Organisation des deutschen Heeres festzulegen berufen ist. 
Man könnte meinen, es habe keinen Zweck mehr, darüber zu sprechen, eine 
Rede des Kriegsministers könne doch an der Stellungnahme der Parteien 
nichts mehr ändern. Das mag sein, aber weil es so ist, kann ich heute 
wenigstens die Vorlage ohne solche Rücksichten als Soldat bis zum 
Schlusse verfechten. Was ist denn eigentlich eine Militärvorlage? Ist sie 
ein in einem Bureau ersonnener künstlicher Bau, oder eine doktrinäre Be- 
kräftigung einer einseitigen Ansicht? Nein, sie ist der Niederschlag lang- 
jähriger militärischer Erfahrungen, sie will auf Grund derselben den Er- 
fordernissen der Zukunft Rechnung tragen und sie drückt den bestimmten 
Willen aus, soweit das die Organisation ermöglicht, den Sieg an die 
deutschen Fahnen zu fesseln. Schon die Entstehung einer solchen Vorlage 
ist schwierig genug; auf allen Gebieten des weiten Militärressorts regt es 
sich, überall entstehen neue Bedürfnisse, Alles strebt nach Vervollkommnung. 
Schwer ist die Sichtung, aber allmählich krystallisiert die eigene Masse um 
gewisse Zentralpunkte, es bilden sich feste Kerne und die Grundlage der 
Arbeit ist damit geschaffen. Aber dem frischen Entschluß folgt die mühse- 
lige Umsetzung desselben in trockene, endlose Zahlen, die unvermeidliche 
Rücksicht auf politische und finanzielle Erwägungen. Blicke ich auf den 
Weg zurück, den auch diese Vorlage gemacht hat, so muß man von dem 
Vertreter derselben vor Allem eine Eigenschaft verlangen, die Beharrlichkeit, 
und darum werde ich bis zuletzt auf dem Boden der Vorlage verharren. 
Überblicke ich das Resultat, welches aus den Kommissionsberatungen her- 
vorgegangen ist, so darf ich frei der Ansicht Ausdruck geben, daß wichtige, 
vielleicht entschiedenere Fortschritte der Armee gesichert sind. Ich will nicht 
auf die einzelnen Details hier eingehen, sondern mich darauf beschränken, 
die bei den einzelnen Waffen in Betracht kommenden Verhältnisse dem 
hohen Hause nochmals vorzuführen. Bei Weitem im Vordergrund steht die 
neue Organisation der Feldartillerie, eine Organisation von solcher Bedeu-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.