Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

58 Nos Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 23. 24.) 
betrifft, so werden Sie selbst wissen, daß ich, wo es sich um die Bestim- 
mungen, die hinsichtlich des Versammlungsrechtes gelten, handelt, sowie 
auch um die betreffenden Paragraphen, welches so schmerzliche Erscheinungen 
zur Folge hat, nicht allmächtig bin, vielmehr ist dies alles gebunden an 
die Bestimmungen der gesetzgebenden Körperschaften. Was die Frage der 
Frauenbildung betrifft, so ist dieselbe in Verbindung mit den Grundlagen 
der Volkserziehung vom Kultusministerium in Erwägung gezogen. Es ist 
Ihnen bekannt, welche Stellung zu dieser Frage der Kultusminister ein- 
nimmt. Eine nachdrückliche Unterstützung der Mädchenschulen von seiten 
der Unterrichtsverwaltung wie von seiten der Stadtgemeinde ist in Aussicht 
genommen und durch neue Lehrpläne werden im Unterrichte verschiedene 
Verbesserungen angestrebt. Dagegen verhält sich die Unterrichtsverwaltung 
ablehnend hinsichtlich der Errichtung von besonderen Mädchengymnasien, 
sowie Aufnahme der Mädchen in die höheren Lehranstalten. Dagegen sind 
einzelne private Gjährige Gymnasialkurse versuchsweise genehmigt, und es 
sollen nach dieser Richtung weitere Erfahrungen gesammelt werden. Hin- 
sichtlich des berührten Punktes der Zuziehung sachverständiger Frauen zur 
Beratung bin ich dafür, diese sehr wichtige Frage anzuregen und zu sehen, 
ob es möglich sein wird, daß Frauen zugezogen werden. Jedenfalls können 
Sie meines Interesses sicher sein. Ich werde, so weit es an mir ist, das- 
selbe beim Bundesrat und Reichstag zum Ausdruck bringen. 
23. März. (Berlin.) Wirkl. Geh. Rat Herzog, früher 
Staatssekretär in Elsaß-Lothringen, k. 
24. März. (Berlin.) Beratung über die Förderung des 
Baumwollbaus in den Kolonien. 
Unter dem Vorsitze des Direktors Dr. Stuebel tritt eine Konferenz 
von Sachverständigen und Interessenten auf dem Gebiete des Anbaues und 
der Verwertung von Baumwolle zusammen. Es werden folgende Beschlüsse 
einstimmig angenommen: 1. Die Konferenz nimmt mit Interesse Kenntnis 
von dem Berichte über die befriedigenden Ergebnisse der Baumwollexpedition 
des kolonialwirtschaftlichen Komitees nach Togo und spricht dem Komitee 
ihren Dank aus; 2. unter der Voraussetzung, daß die erforderlichen Geld- 
mittel von den Interessenten und dem Gouvernement zur Verfügung ge- 
stellt werden, soll unter der Leitung des kolonialwirtschaftlichen Komitees 
eine landwirtschaftliche Expertise nach den Vereinigten Staaten zum Stu- 
dium des Baumwollbaues entsandt werden. Die dortigen Erfahrungen 
sollen verwertet werden durch Anlegung von Versuchsstationen behufs Ein- 
führung der Baumwollkultur als Eingeborenenkultur in Deutsch-Ostafrika. 
März. (Hessen.) Verkehr des Großherzogs mit Sozial- 
demokraten (vgl. 1901 S. 55). 
Durch die Presse gehen Nachrichten, daß der Großherzog von Hessen 
sozialdemokratische Abgeordnete auf einem parlamentarischen Abend ins 
Gespräch gezogen habe. Die „Hamburger Nachrichten“ fordern deshalb 
ein Einschreiten des Bundesrats gegen den Großherzog von Hessen auf 
Grund der Reichsverfassung. Die Bundesfürsten schlössen einen ewigen 
Bund zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gül- 
tigen Rechtes sowie zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes, die 
Sozialdemokraten aber wollten das innerhalb des Bundesgebietes gültige 
Recht umstoßen. Das Deutsche Reich müsse der drohenden Versozial= 
demokratisierung eines Bundesstaates unter Patronage des eigenen Bundes- 
fürsten vorbeugen.
	        
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