Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Das Dentsche Reih und seine einzelnen Glieder. (April 25.) 65 
zu können. Ein Vorbild selbstloser hingebender Pflichterfüllung in der 
Regierung, wie in militärischen Verhältnissen, ein treuer Waffengenosse 
und Förderer der Gedanken Meines hochseligen Großvaters, ein emsiger 
und eifriger Hüter der erworbenen Schätze und Güter unseres deutschen 
Volkes, in allen diesen Dingen ein Vorbild für unsere jüngere Generation, 
so stehen Euere königliche Hoheit vor den Augen der Generation, die Ich 
repräsentiere, die unter den Eindrücken des großen Jahres aufgewachsen 
ist. Es kann für Mich nur der höchste Ruhm sein und zugleich in Mir 
die höchste Dankbarkeit erwecken, wenn aus dem Munde des Vertreters 
der Generation Meines Herrn Großvaters, aus Enerer königlichen Hoheit 
Munde selbst das Wort ausgesprochen wird, daß Sie mit den Grundsätzen, 
nach denen Ich zu regieren versuche, einverstanden sind. Denn es geht 
daraus hervor, daß diese Grundsätze sich in Bahnen bewegen, die Mein 
unvergeßlicher Großvater uns vorgezeichnet hat. Wollte Gott, es hätte 
ihm gefallen, Meinen herrlichen Vater noch recht lange zu erhalten. Aber 
da es nun einmal anders gekommen ist, so bin Ich auch fest entschlossen, 
dem schweren Erbteil, das Mir zugefallen ist, mit Aufbietung aller Meiner 
Kräfte gerecht zu werden. Das geschieht besonders durch die Pflege der 
Armee. Ich hoffe, daß es Mir gelingen wird, durch sorgfältige Pflege sie 
in dem Zustand zu erhalten, wie sie Mein Herr Großvater Mir überließ, 
als ein Instrument in seiner Hand, den Frieden zu erhalten, im Kriege 
zu siegen, als eine unvergleichliche Schule für die Erziehung unseres Volkes. 
Ich kann Mir aber eine solche Arbeit nur lohnend und zu gleicher Zeit 
ersprießlich denken, wenn solche Vorbilder, wie Euere königliche Hoheit 
unter den deutschen Reichsfürsten sind, Mir zur Seite stehen. Denn es 
ist selbstverständlich, daß eine ältere Generation, wenn sie mit einem Male 
ihres würdigen Hauptes beraubt ist, es schwer finden muß einer jüngeren 
Hand zu folgen, denn die Ansichten wechseln, wie die Aufgaben der Zeit. 
Wenn daher aus so berufenem Munde und von solcher Seite Mir auf- 
munternde und lobende Worte ausgesprochen werden, so schöpfe Ich daraus 
den Mut zu weiterem Streben. Meine Worte sollen damit schließen, daß 
Ich nicht allein, sondern im Namen jedes Deutschen von ganzem Herzen 
Gottes Segen erflehe für Euere königliche Hoheit und Ihr Haus, auf daß 
Sie auch ferner Mir als Berater zur Seite stehen und als Vorbild Mir 
voranstehen. Unseren Gesinnungen geben wir Ausdruck, indem wir rufen: 
Seine königliche Hoheit der Großherzog von Baden hurra, hurra, hurra! 
25. April. (Reichstagswahll.) Bei der Ersatzwahl in 
Saarbrücken wird Boltz (ul.) mit 17 957 Stimmen gewählt. 
Muth (3.) erhält 14 393, Spaniol (Soz.) 826 Stimmen. 
April. (Preußen.) Die Polenfrage wird fortgesetzt dis- 
kutiert. Die „Gazeta Grudziazka“ stellt folgende Forderungen der 
Polen zusammen: 
1. Aufhebung der Regierungs-Patronate, die Beseitigung aller Be- 
teiligung der Regierung bei der Wahl der Bischöfe und sonstigen kirchlichen 
Würdenträger und die Aufhebung aller Ausnahmegesetze und Verordnungen 
aus früheren Zeiten und aus der Zeit des Kulturkampfes, kraft deren die 
Regierung die ungeheuren Kirchen= und Klöstervermögen eingezogen, die 
Ordensbrüder vertrieben und den Geistlichen die Aufsicht über die Schulen 
genommen hat. Wir fordern also, daß die Regierung die Kirchenvermögen 
zurückgibt, welche sie an sich genommen, daß sie allen vertriebenen Ordens- 
brüdern die Rückkehr in unsere Gegenden gestattet und daß die Schulen 
Europäischer Geschichtskalender. XLIII. 5
	        
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