I#s Venische Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 5.) 73
Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen. Die Verhandlungen betreffen Für-
sorge für die schulentlassene männliche Jugend, Pflege bedürftiger
Kranker und Wohnungzsfragen.
5. Mai. (Reichstag.) Erste Beratung der Zuckerkonvention
und der Novelle zum Zuckersteuergesetz. (Vergl. „Staats-Archiv“
Bd. 66. S. Belgien.)
Durch die Vorlage werden der zweite und dritte Teil des Zucker-
steuergesetzes vom 27. Mai 1896, welche die Bestimmungen über den Zu-
schlag zur Zuckersteuer und die Ausfuhrzuschüsse betreffen, aufgehoben.
Artikel 2 setzt die Zuckersteuer, die bisher 20 JX für 100 Kilogramm Rein-
gewicht beträgt, auf 16 4 für 100 Kilogramm Reingewicht fest. Artikel 3
bestimmt: Wird Zucker, der vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in die Nieder-
lage aufgenommen wurde, nach dem genannten Zeitpunkt in den freien
Verkehr oder in die Zuckerfabrik überführt, so ist der darauf gewährte
Ausfuhrzuschuß zurückzuzahlen. Nach Artikel 4 tritt dieses Gesetz gleich-
zeitig mit dem am 5. März 1902 in Brüssel zwischen dem Reiche und einer
Anzahl anderer Staaten abgeschlossenen Vertrag über die Behandlung des
Zuckers (1. September 1903) in Kraft.
Reichskanzler Graf Bülow: Die Regierung habe die Interessen
der deutschen Zuckerproduzenten in der Konvention gewahrt und den oft
geäußerten Wunsch auf Abschaffung der Prämie erfüllt. — Die Initiative
zum Zusammentritt der Konferenzen in Brüssel zum Zweck gemeinschaft-
licher Beratungen über die Abschaffung der Zuckerprämien ist nicht von
uns ausgegangen. Jedenfalls aber haben wir nur im Sinne der uns
vom Hause erteilten Direktive gehandelt, indem wir uns an jenen Konfe-
renzen beteiligten und an der Lösung der uns durch die Resolution des
Hauses gestellten Aufgabe nach besten Kräften mitgewirkt haben. Uns an
diesen Brüsseler Konferenzen zu beteiligen, war umsomehr geboten, als
sonst die Gefahr drohte, daß auch die an der Zuckereinfuhr nach England
interessierten Länder: Frankreich, Belgien und Holland, sich auch ohne uns
mit England über diese Frage verständigen und durch Separatabkommen
günstigere Bedingungen für ihren Zucker erlangt hätten, während wir das
Nachsehen gehabt haben würden. Nicht aus irgend welcher Nachgiebigkeit
gegen das Ausland und insbesondere nicht gegen England, sondern aus
reiflich erwogenen handelspolitischen Interessen und in voller Wahrung der
Interessen der heimischen Zuckerindustrie haben wir so gehandelt, wie wir
es getan haben. Es ist auch der Einwand erhoben worden, daß wir an
der Erhaltung des englischen Zuckermarktes ein so großes Interesse gar
nicht hätten, daß es uns selbst, wenn England uns seinen Markt nicht
verschlösse, doch möglich sein würde, für unseren Zucker andere Absatzgebiete
zu gewinnen. Demgegenüber muß ich bemerken, daß in der Zuckerkampagne
1901/1902 23 Mill. Doppelzentner Zucker produziert worden sind, von
denen das Deutsche Reich nur etwa 7,5 Millionen Doppelzentner konfu-
miert hat, sodaß etwa 15—16 Millionen Doppelzentner ausgeführt werden
mußten, von denen England 6 Millionen, also fast die Hälfte unserer bis-
herigen Zuckerproduktion aufnahm. Es würde doch eine sehr mißliche und
zweifelhafte Sache sein, wenn wir angesichts so bedeutender Zuckermengen
unsere bisherigen Absatzgebiete aufgeben und neue Märkte aufsuchen müßten,
umsomehr, als noch bedeutende Weltvorräte hinzukommen, die sich auf
etwa 18 bis 20 Millionen Doppelzentner belaufen. Ich scheue mich nicht,
es auszusprechen, welchen Katastrophen unsere Zuckerindustrie entgegen
gehen müßte, wenn wir des englischen Absatzgebietes verlustig gehen, ohne