230 HNie lerreichischungerische Mosnarchie. (Dezember 12.—16.)
beschränkten Rechten der Krone, über deren Quelle hierzulande keine Er-
örterung nötig sei. Redner bekämpft aufs schärfste den Gedanken der
Schaffung einer selbständigen ungarischen Armee und begrüßt die Erklärung
des Ministerpräsidenten, daß die äußere und innere Einheitlichkeit der Ar-
mee, ihre Grundlage und Organisation nicht geändert werden. In dieser
Beziehung werde die Regierung nicht nur die Unterstützung des Hauses,
sondern auch Unterstützung seitens der Gesamtheit der an der Aufrecht-
erhaltung der Machtstellung interessierten Bevölkerung der diesseitigen
Reichshälfte finden. Die Regierung werde jedoch nur dann in die Lage
versetzt sein, das Schwergewicht ihres Einflusses bei den für die gemein-
samen Angelegenheiten der Monarchie verantwortlichen Ratgebern der
Krone einzusetzen, wenn wieder geregeltes parlamentarisches Arbeiten im
Reich möglich sei.
12. Dezember. (Cisleithanien.) Der Reichsrat wird wegen
andauernder Obstruktion der Tschechen im Abgeordnetenhause vertagt.
14. Dezember. (Ungarn.) Im Abgeordnetenhause erwidert
Ministerpräsident Graf Tisza auf die Rede Körbers vom 12.:
ch fühle mich verpflichtet, der betrübenden Erscheinungen zu ge-
denken, welche die jüngste Debatte im österreichischen Herrenhause geoffen-
bart hat. (Lebhafte Zustimmung auf allen Seiten des Hauses.) Wir be-
gegnen daselbst lebendigen Reminiszenzen des Zentralismus, der den Staat
zweimal an den Rand des Abgrundes gebracht hat. Der Dualismus hat
diese Aera beendigt. Der Grundgedanke des Ausgleichs war, einen konso-
lidierten ungarischen Staat auf nationaler Grundlage zu errichten und
gleichzeitig auch Oesterreich zu konsolidieren. Ungarn unterstützte diese
Bestrebungen Oesterreichs mit aller Kraft. Trotzdem hatten die Be-
mühungen wenig Erfolg. Der staatliche Zusammenhang in Oesterreich ist
gelockert; und nun sind wir Zeugen der verhängnisvollen Verblendung,
daß jene Faktoren, deren Aufgabe es sein würde, Oesterreich zu konsoli-
dieren, und die damit gescheitert sind, nun mit dem Anspruch hervortreten,
in Ungarn Einfluß zu üben. Graf Tisza bemerkt sodann bezüglich der
Aeußerung Dr. v. Körbers, daß die durch die nationalen Zugeständnisse
an Ungarn verheißene Militärreform noch keine vollzogene Tatsache sei. Es
wäre eine Verletzung der schuldigen Ehrfurcht gegen die Krone, daran zu
zweifeln, daß die zugesagten Reformen auch wirklich durchgeführt werden.
Diese Reformen ständen mit dem Ausgleich nicht in Widerspruch. Es sei
völlig überflüssig, daß man in Oesterreich die gemeinsame Armee und den
Ausgleich gegen ungarische Aspirationen verteidige. Ungarn halte treu
zum Ausgleich. Die von Kossuth vertretene Idee der Personalunion habe
nur einen starken Bundesgenossen, nämlich jene Strömung in Oesterreich,
welche sich bemühe, den Ausgleich im zentralistischen Sinne auszulegen.
(Lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses.)
15. Dezember. (Wien.) Die Delegationen treten zusammen.
Die österreichische wählt Gautsch, die ungarische den Grafen Sza-
pary zum Präsidenten. — Das Budget für 1904 balanziert mit
374 975 389 Kronen.
16. Dezember. (Wien.) Im Ausschuß der ungarischen Dele-
gation legt der Minister des Auswärtigen, Graf Goluchowski, die
auswärtige Lage dar.