Das Denischte Reith und seine einzelnen Slieder. (Juni 16.) 129
zustand auf dem Gebiete der Schulunterhaltung ist außerordentlich ver-
schieden und unsicher, teilweise veraltet und ungerecht; fort und fort ent-
stehen neue Streitigkeiten und verstärken die Mißstimmung über die Volks-
schullasten. Es wird damit ein willkommenes Agitationsmittel geboten,
das auf dem platten Lande die Kreise, die zusammenstehen sollen, die
Großgrundbesitzer, die mittleren und die kleinen Besitzer, gegeneinander
verfeindet. Der Entwurf macht nach dem Grundsatz der Verfassung die
politischen Gemeinden und die Gutsbezirke zu Trägern der Volksschul-
lasten. Es drängte sich dabei die Frage auf, ob nicht besser leistungs-
fähigere, breitere Körperschaften zu Trägern der Lasten zu machen seien.
Es war dabei an den Staat, an die Kreise oder an andere größere Ver-
bände zu denken. Die Regierung hält aber an dem Grundsatz der Ver-
fassung fest, zumal die politisch außerordentlich schwierige Frage der
Staatsschule kaum zu lösen sein würde. Sobald 100000 Lehrer und
Lehrerinnen zu unmittelbaren Staatsbeamten gemacht würden, müßte auch
ihre gesamte Stellung, auch ihre Stellung zur Kirche u. s. w., gesetzlich
geregelt werden; und das würde ohne tiefgehende Kämpfe unmöglich sun
es würde aber auch bedenklich sein, das Interesse der Nächstbeteiligten an
der Volksschule ganz auszuschalten. Die größeren Gemeinden haben Vor-
treffliches für die Entwickelung der Volksschule geleistet. Es würde nicht
zur Förderung, sondern zur Hemmung und nachteiligen Schablonisierung
der Volksschule führen, wenn man das Interesse der örtlich Beteiligten
ausschlösse. Würden die Lehrer zu Staatsbeamten gemacht, so müßte auch
eine einheitliche Regelung ihrer Gehälter erfolgen, wobei erhebliche finan-
zielle Opfer und damit eine Belastung der Steuerzahler nicht zu umgehen
wäre. Daher ist nach Ansicht der Regierung die Idee der Staatsschule
undurchführbar; eine Lösung der Frage ist vielmehr nur auf Grundlage
der Verfassung zu finden, welche die Gemeinden zu Trägern der Schul-
lasten macht. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, auch die Gutsbezirke
weiter zu Trägern der Volksschullasten zu machen und nur diejenigen
besonderen Bestimmungen vorzusehen, welche aus der Eigenart der Guts-
bezirke folgen. Daß solche Maßnahmen in manchen Landesteilen — aller-
dings nicht überall — eine Mehrbelastung der Gutsbesitzer erfordern,
unterliegt keinem Zweifel. Aufgabe der ergänzenden Staatsmittel ist es,
dafür zu sorgen, daß diese Belastung nicht eine unzulässige Höhe erreicht.
Bei den Beratungen im anderen Hause ist hinsichtlich der schwierigen Frage
der Unterverteilung der Schullasten auf die einzelnen Gutsbezirke und
Gemeinden in Gesamtschulverbänden die Leistungsfähigkeit berücksichtigt,
und deshalb sollen die Lasten zur Hälfte nach der Zahl der Schulkinder,
zur anderen Hälfte nach dem Steuersoll aufgebracht werden. Es ist ja
schwer, für einen solchen Verteilungsmaßstab eine einheitlich zutreffende
Norm zu finden. Die Regierung glaubt aber, daß die Fassung des
anderen Hauses, wonach auch Abweichungen möglich sind und eine andere
Verteilung auf Antrag erfolgen kann, auch den Wünschen dieses Hauses
entspricht. Es ergab sich ferner die Notwendigkeit, das Vermögen der
Sozietätsschulen auf die bürgerlichen Gemeinden zu übertragen, wobei es
sich allerdings um viele Millionen handelt. Was die Frage der konfessio-
nellen Verhältnisse betrifft, so wäre nach den Erklärungen der Parteien
im anderen Hause ein Versuch, die Schulunterhaltung ohne Regelung der
konfessionellen Verhältnisse zu regeln, aussichtslos gewesen. Deshalb hat
sich die Regierung mit den Bestimmungen des Kompromißantrages ein-
verstanden erklärt. Dabei ist absichtlich vermieden worden, die Ausdrücke
„konfessionelle Schule“ und „Simultanschule“ in das Gesetz aufzunehmen,
da die Definition dieser Begriffe nicht ausreichend feststeht. Durch die
Europäischer Geschichtskalender. XVII. 9