Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

238 Vie S#herreichisch-ungerische Mssarchie. (Februar 13. 15.) 
restitutio in integrum; die Wiederherstellung des status quo ante ist eine 
der ersten Aufgaben der Regierung. Die während des nationalen Wider- 
standes suspendierten Beamten sind in ihre Stellen zurückzuversetzen, haupt- 
sächlich aber ist die Verfügung zu treffen, daß das Gesetz auf Grund 
der Erfahrungen des letzten Jahres ergänzt wird und daß die Fälle 
der Möglichkeit der Vertagung und Auflösung des Reichstages klar fest- 
gestellt werden.“ 
Diese Forderungen lehnt der König ab. 
13. Februar. (Cisleithanien.) Debatte über die Gemein- 
samkeit der Wehrmacht. 
Ein alldeutscher Antrag fordert die Regierung auf, einen Gesetz- 
entwurf betreffend die Aufhebung der Gemeinsamkeit der österreichisch- 
ungarischen Wehrmacht vorzulegen. Ministerpräsident v. Gautsch erklärt 
unter andauerndem Lärm der Alldeutschen, der Antrag scheine weniger 
deshalb eingebracht worden zu sein, um die Stellungnahme der Regierung 
zu der ungarischen Sprache zu provozieren. Zu einer solchen Erklärung 
werde die Regierung Gelegenheit haben nach Bewilligung des Rekruten- 
kontingents. Der Antrag beziehe sich vielmehr anscheinend auf die Wahl- 
reform. Die Regierung werde trotz aller Hindernisse diesen Gesetzentwurf 
einbringen, da sie fest entschlossen sei, das Haus zur Abgabe eines klaren 
Votums zu veranlassen. Die Regierung stehe unverrückt auf dem Boden 
des Ausgleiches von 1867, d. h. auf dem Boden der Gemeinsamkeit der 
Armee mit einheitlicher Leitung und innerer Organisation, die der Monarchie 
jeden Schutz gewähren könne, dessen sie zur Erfüllung ihrer großen ge- 
schichtlichen Aufgaben nicht entraten könne. (Beifall.) — Der Antrag wird 
abgelehnt. 
15. Februar. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Be- 
willigung des Rekrutenkontingents. 
Landesverteidigungsminister v. Schönaich: Er hoffe trotz der hoch- 
gehenden politischen Wogen auf die Annahme der Vorlage. Solange der 
Militarismus besteht, ist es Pflicht desjenigen, der die Verantwortung für 
die militärischen Einrichtungen trägt, auf der Durchführung alles desjenigen 
zu bestehen, was für die Schlagfertigkeit des Heeres unbedingt erforderlich 
ist. Ihm sei es viel lieber, wenn die militärischen Forderungen auf Grund 
eingehender scharfer Prüfung bewilligt, als wenn sie mit einem fatalisti- 
schen Achselzucken hingenommen würden. (Lebhafter Beifall.)) Für 
die Armee existiere eine nationale Frage nicht; noch nie wurde ein Offizier 
wegen Betätigung seiner Nationalität verfolgt. Aber die Dienstsprache sei 
eine absolute Notwendigkeit. Er müsse patriotische Bedenken gegen die 
eingetretene Stagnation vorbringen, die das Selbstvertrauen der Armee 
erschüttern könnten. Die früheren österreichischen Niederlagen seien weniger 
die Folgen schlechter Führung als der schlechten Bewaffnung. Alle Nationen 
haben bereits neue Geschütze, wir haben ein Modell, aber eine nicht liquid 
gewordene Geldforderung. Wir haben auch keine Rekruten, selbst wenn 
wir Geschütze hätten. Die Marine befindet sich in der gleichen Lage. Um 
uns herum wird überall an den Flotten gearbeitet. Er (Redner) rede 
nicht für den Krieg, sondern nur für die Kriegsbereitschaft; aber er betone, 
die Marine befinde sich in einem geradezu vernachlässigten Zustande, weil 
es mangels der erforderlichen Mittel unmöglich sei, den ausgezeichneten 
Flottenplan auszuführen. Gerade deswegen hätten nichtmilitärische Kreise 
sogar angeregt, die Küstenverteidigung Dalmatiens durch eine Kreuzerflotte 
von Handelsschiffen zu verstärken. Solche Zustände könnten auf den Geist
	        
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