240 Hie öfßerreihishinngarische Monarhhie. (Februar Mitte. 19.)
Gleichberechtigung aller Nationalitäten. Abg. Dr. Ellenbogen (Soz.)
wünscht eine vollständige politische Unabhängigkeit der beiden Staaten be-
hufs Neuregelung der wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Am 20. erklärt Ministerpräsident v. Gautsch: Ich bin ermächtigt,
zu erklären, daß der der österreichischen Legislative hinsichtlich der gemein-
samen Angelegenheiten gesetzmäßig zustehende Einfluß stets im vollen Um-
fange gewahrt bleiben wird. Der österreichische Reichsrat hat daher nicht
zu besorgen, durch einseitige Verfügungen, welche unsere Interessen berühren
könnten, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Ich bin weiter er-
mächtigt, zu erklären, daß an den erprobten Grundlagen der gemeinsamen
Armee, die ihren wichtigsten Stützpunkt in dem durch die Gesetze dem
obersten Kriegsherrn zustehenden ausschließlichen Rechte auf einheitliche
Leitung, Führung, sowie auf alle Anordnungen über die innere Organi-
sation der gemeinsamen Armee findet, keine Aenderung eintreten wird.
Dies gilt insbesondere in Beziehung auf die Kommando= und Dienstsprache
der gemeinsamen Armee.
Mitte Februar. (Fiume.) Ausstand der Hafenarbeiter und
Seeleute.
19. Februar. (Cisleithanien.) Debatte der Marokkofrage
und des Bündnisses mit Deutschland.
Auf eine Interpellation des Abg. Kramarsch (Jungtsch.) erwidert
Ministerpräsident Frhr. v. Gautsch, es liege derzeit kein Anlaß zu einer
authentischen Interpretation des der Oeffentlichkeit ja genau bekannten
Allianzvertrages zwischen der habsburgischen Monarchie und dem Deutschen
Reiche vor. Eine nähere Erörterung der aus diesem Bundesverhältnis
sich ergebenden gegenseitigen Verpflichtungen sei um so weniger angebracht,
als nichts zu der Annahme berechtige, daß aus der gegenwärtigen Lage
zwischen den Ländern Europas Komplikationen entstehen könnten, die den
Frieden, dessen Erhaltung allen Mächten gleichmäßig am Herzen liege,
ernstlich gefährden würden. (Beifall.) Bezüglich Marokkos, wo die Monarchie
ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolge, halte man an dem Prinzip
der Gleichberechtigung und der offenen Tür fest, und man sei bestrebt, im
Verein mit den anderen Staaten dies Prinzip mit allen jenen Garantien
für die Zukunft zu umgeben, die eine Schädigung der mit jedem Jahre
zunehmenden österreichischen Exportinteressen hintanzuhalten geeignet wären.
In diesem Sinne seien Instruktionen an die Delegierten Hesterreich-Ungarns
nach Algeciras gesandt worden.
19. Februar. (Ungarn.) Auflösung des Abgeordnetenhauses.
Die Münchener „Allgemeine Zeitung“ berichtet darüber: „Die Auf-
lösung des Parlaments ist heute vormittag erfolgt, wenigstens ist das die
Auflösung anordnende Dekret des Königs beiden Häusern zugestellt worden.
Die Sache vollzog sich jedoch in wesentlich anderer Weise, als man all-
gemein vorhergesehen hatte. Der mit der Auflösungsaktion betraute könig-
liche Kommissar, Generalmajor Nyiri, hat weder seinerseits das Reichstags-
gebäude betreten, noch die Deputierten und Magnaten zur Entgegennahme
des Auflösungsdekrets zu sich in die königliche Burg nach Ofen beschieden.
Er hat die Sache etwas formlos durch die Vermittlung eines Stabs-
offiziers besorgen lassen, nachdem er das Reichstagsgebäude zuvor mit einem
Truppenkordon hatte umgeben und im Innern, in den Korridoren und
Wandelgängen eine Abteilung Polizei und Honved-Infanterie Posten fassen
lassen. Der Oberbefehl über das gesamte Truppen= und Polizeiaufgebot vor