Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Fie Ferreichisch-ungarische Monarchie. (Juni 10.) 261 
getroffen haben, besteht auch weiter in voller Kraft und hat gute Früchte 
getragen. Wenngleich die Lage in jenen Gebieten noch vielfach Mängel 
aufweist, hat sie sich doch unleugbar gebessert, und es ist vor allem ge- 
lungen, ernstere Komplikationen hintanzuhalten. Das schwere Ringen 
zwischen Rußland und Japan im fernen Osten ist zu unserer aufrichtigen 
Freude dank der uneigennützigen Vermittlung des Herrn Präsidenten der 
Vereinigten Staaten durch einen für beide Teile ehrenhaften Frieden be- 
endet worden. Die Frage der wirtschaftlichen Erschließung Marokkos und 
des Anteiles, welchen die europäischen Staaten daran nehmen sollen, hat 
während des verflossenen Jahres zu ernsten Verwicklungen zu führen ge- 
droht. Erfrenlicherweise ist es gelungen, auf der zur Austragung dieser 
Differenzen nach Algeciras einberufenen Konferenz eine allseits befriedigende 
Lösung zu finden, wozu nicht zum geringsten Teile unsere vermittelnde 
Tätigkeit beigetragen hat. So wie bisher, wird auch weiterhin die Er- 
haltung des Friedens für Europa und vor allem für die Monarchie der 
leitende Gedanke unserer auswärtigen Politik sein. Meine Kriegsverwal- 
tung bleibt rücksichtlich der laufenden Erfordernisse für die Erhaltung des 
Heeres und der Kriegsakademie in den Grenzen der letztjährigen Bewilli- 
gung. Für die nicht mehr aufschiebbare beschleunigtere Beschaffung von 
Waffen und Kriegsmaterial, dann für die raschere Ausführung von Schiffs- 
bauten und Armierung von Schiffen gelangen programmgemäß weitere 
Teilbeträge zur Anforderung. Der stetige Fortschritt im Okkupationsgebiete 
hat auch im abgelaufenen Jahre keine Unterbrechung erfahren. Wichtige 
eformen auf allen Gebieten der Verwaltung vollziehen sich oder werden 
angebahnt. Es stellen sich aber doch manche Schwierigkeiten in der mo- 
dernen Entwickelung ein, wie der eben beendete, über zahlreiche Industrie- 
betriebe ausgebreitete Arbeiterstreik. Die Eisenbahnlinie, welche Sarajewo 
mit der serbischen und türkischen Grenze im Südosten verbindet, ist voll- 
endet und wird am 1. Juli dem Verkehr übergeben. Indem Ich die Ihnen 
zugekommenen Vorlagen Ihrem patriotischen Eifer und Ihrer bewährten 
Einsicht empfehle, heiße Ich Sie herzlichst willkommen. 
10. Juni. (Cisleithanien.) Das Abgeordnetenhaus ge- 
nehmigt das Militärtaxgesetz, wonach die vom Wehrdienst Befreiten 
mit über 1200 Kronen Einkommen eine Taxe zu zahlen haben. 
10. Juni. (Wien.) Die Vertretung der österreichischen Sozial- 
demokratie droht in einem Aufruf mit einem Masesenstreik, falls 
die Wahlreform nicht zustande komme. 
10. Juni. (Ungarn.) Das Organ der Unbhängigkeitspartei, 
der „Magyarorszay“ schreibt über Becks Programm: 
„Wenn also die Oesterreicher irgend einer Sache nicht zustimmen, 
so kann daraus (nach Beck) in Ungarn niemals etwas werden. Ein solcher 
impertinenter Blödsinn konnte nur in einem österreichischen Beamtengehirn 
produziert werden. Wenn wir im Sinne des Gesetzes in Uebereinstimmung 
mit dem König unsere wirtschaftlichen und anderweitigen Verhältnisse 
einrichten, so geht das Oesterreich absolut nichts an, und man wütet drüben 
ganz vergeblich. Wir werden unsere wirtschaftliche Selbständigkeit um jeden 
Kreis wahren! Daran kann gar keine Gewalttätigkeit mehr irgend etwas 
ändern.“ 
10. Juni. (Wien.) Antiungarische Demonstration. 
Eine Volksmenge, die einer von Oberbürgermeister Abg. Lueger
	        
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