Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

VII. 
Italien. 
30. Januar. (Deputiertenkammer.) Ministerpräsident 
Fortis legt das Programm des neuen Kabinetts (1905 S. 233) vor. 
Das neue Kabinett bedeute keinen Wechsel in der bisherigen Rich- 
tung der allgemeinen Politik; diese Richtung sei im Gegenteil durch die 
Kammerabstimmung vom 17. Dezember v. J. bestätigt worden. Die Ver- 
pflichtungen des alten Kabinetts gegenüber dem Parlament erkenne das 
neue deshalb als eigene Verpflichtungen an. Für die innere Politik stelle 
das Ministerium den Grundsatz der Freiheit an die Spitze. Die Richtung, 
die wir bei den internationalen Beziehungen verfolgen, ist ebenso fest wie 
sicher. Unsere auswärtige Politik in ihren allgemeinen Linien steht über 
allen Parteifragen. Seinen Verbündeten getreu und seine Freundschaften 
achtend, strebt Italien unter Beobachtung stets untadeliger Loyalität gegen- 
über allen und im Bewußtsein seiner Pflichten und Rechte mit Erfolg nach 
der Aufrechterhaltung des Friedens, der mit Recht als höchste und un- 
schätzbare Wohltat angesehen wird. Gegenwärtig trägt es auch auf der 
bedeutungsvollen Konferenz in Algeciras zu dem Werke der Versöhnung 
bei, die auch die mehr indirekt interessierten Mächte aufrichtig wünschen. 
Was die Finanzlage angeht, so können wir wegen neuer dringender, durch 
die Entwickelung des Landes hervorgerufener Bedürfnisse nicht an eine 
bedeutende Steuerermäßigung denken, die zu einer Schwächung führen würde. 
Wir müssen jede Verschwendung öffentlicher Gelder verhindern und keine 
neuen Ausgaben machen, wenn sie nicht notwendig und unausschiebbar 
sind. Wir müssen für eine fortschreitende Besserung des Budgets sorgen 
und den Kredit des Staates aufrechterhalten. Die Finanzlage und der 
Ertrag der Steuern sind — ein Zeichen für die wachsende wirtschaftliche 
Kraft des Landes — gut, aber man darf nicht vergessen, daß der Staats- 
betrieb der Eisenbahnen neu geordnet werden muß. Mehrere Ursachen 
machen dies nötig, für die wir sicher nicht verantwortlich sind. Er werde 
demnächst die endgültigen Abrechnungen mit den Eisenbahngesellschaften 
und ein Abkommen über das Netz der Meridionalbahnen vorlegen. Hin- 
sichtlich der Ausgaben für militärische Zwecke erinnert der Ministerpräsident 
daran, daß die Kammer im vergangenen Juni die Mittel bewilligt habe, 
um beständig eine Streitmacht von fast gleichmäßiger Stärke unter den 
Waffen zu halten. Doch seien noch einige Wünsche in technischer Hinsicht 
unerfüllt geblieben, die sich hauptsächlich auf die Verteidigung und die 
Einführung von Waffen bezögen, die der stetige Fortschritt der Kriegskunst 
bedinge. Um den Militärdienst weniger drückend zu gestalten, werde die 
 
	        
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