Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

IX. 
Schweiz. 
10./11. Februar. (Olten.) Parteitag der Schweizer Sozial- 
demokratie. 
Es wird beschlossen, im Gegensatz zu den Anarchisten als Partei- 
grundsatz auszusprechen, daß das Volksheer notwendig sei. Dagegen wird 
beschlossen, den Genossen Gehorsamverweigerung zu empfehlen, wenn sie 
als Soldaten bei Streiks einberufen und zur Verübung von Gewaltakten 
gegen Streikende befohlen werden. Um die etwaigen Opfer der Militär- 
justiz zu unterstützen, soll sofort eine Widerstandskasse gegründet werden. 
Gegen das in der Ausarbeitung begriffene neue Anarchistengesetz wird be- 
schlossen, das Referendum zu beantragen. 
21. Februar. Wegen der zunehmenden antimilitaristischen 
Propaganda verfügt der Bundesrat, daß Ausländer, welche sich an 
der Propaganda dadurch beteiligen, indem sie zur Verweigerung 
der Wehrpflicht oder des militärischen Gehorsams auffordern, aus 
dem Gebiet der Eidgenossenschaft auszuweisen sind. 
6. März. Gesetzesinitiative. 
Der Bundesrat beantragt bei der Bundesversammlung eine Ver- 
fassungsänderung betreffend die Einführung einer Gesetzesinitiative im 
Bunde. Danach sollen 50000 schweizerische Bürger das Begehren auf 
Erlaß der Aufhebung oder Abänderung von Bundesgesetzen oder allgemein 
verbindlichen Bundesbeschlüssen in dem Sinne stellen können, daß ein solches 
Begehren dem Schweizervolk zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt 
werden muß. Solche Initiativbegehren sollen zulässig sein in der Form 
einer allgemeinen Anregung oder eines ausgearbeiteten Gesetzentwurfes. 
Die Bundesversammlung soll dem schweizerischen Volke gleichzeitig einen 
Gegenentwurf zur Abstimmung unterbreiten können. Verfassungswidrige 
oder mit den Staatsverträgen im Widerspruche stehende Initiativbegehren 
soll die Bundesversammlung von sich aus zurückzuweisen befugt sein, ohne 
ihnen weitere Folge zu geben. 
17. März. Der Bundesrat veröffentlicht den Entwurf einer 
neuen Militärorganisation. 
Danach wird an der Gliederung der schweizerischen Armee nichts 
geändert, es bleibt den Beschlüssen der Bundesversammlung vorbehalten, 
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