Rußland. (März— April 18.) 373
wendung macht die Kommission folgende Vorschläge: Von der Reichsrentei
werden 8 Millionen Rubel zur Unterstützung der durch Agrarunruhen ge-
schädigten Grundeigentümer angewiesen, jedoch nur denjenigen, die nicht
selbst die Mittel besitzen, ihre zerstörten Wirtschaftsgebäude wieder aufzu-
bauen und sich mit Inventar, Futtervorräten und Saatkorn zu versorgen.
Die betreffenden Darlehen sind bis zum 1. Januar 1910 zinsfrei; von da
an bis zu der binnen 35 Jahren zu bewerkstelligenden Tilgung sind 4 Pro-
zent Zinsen zu entrichten. Auf die Gouvernements wird die Gesamtsumme
vom Minister des Innern verteilt; zur weiteren Verteilung innerhalb der
Gouvernements sollen besondere Kommissionen eingesetzt werden.
März. Allerlei Erlasse schränken die politische Freiheit und
die künftigen Rechte der Duma ein; so weist ein Erlaß vom
21. März der Regierung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen
Duma und Reichsrat in Budgetfragen selbständiges Verfügungs-
recht zu. Anfang April wird die Preßfreiheit beschränkt. Der
Toleranzerlaß vom 30. April 1905 wird zum Teil wieder auf-
gehoben. ·
Anfang April. Der Zar erläßt Einladungen zu einer zweiten
Friedenskonferenz im Haag für den Juni, zieht sie aber auf Vor—
stellung der Vereinigten Staaten wieder zurück, da zu derselben
Zeit ein panamerikanischer Kongreß abgehalten werden soll.
Anfang April. Rußland und Tibet.
Der Zar richtet an den Dalai Lama, der wegen der englischen Ex-
pedition aus Tibet in die Mongolei geflüchtet war, folgendes Telegramm:
Eine große Anzahl meiner Untertanen, die dem buddhistischen Glauben
angehört, hatte das Glück, ihrem großen Oberpriester während seines Auf-
enthaltes in der nördlichen Mongolei, die an das Russische Reich grenzt,
ihre Ehrfurcht bezeugen zu können. Da Ich Mich freue, daß Meine Unter-
tanen den heilsamen geistigen Einfluß Ew. Heiligkeit haben genießen können,
so bitte Ich Sie, den Ausdruck Meiner aufrichtigen Dankbarkeit und Achtung
vor Ihnen entgegenzunehmen.
Mitte April. Eine russische Anleihe von 2250 Millionen
wird in Frankreich, Osterreich, England, Rußland begeben. Frank-
reich übernimmt mehr als die Hälfte.
16. April. Ein Ukas veröffentlicht den Reichshaushaltsetat
für 1906.
Der Etat sieht Finanzoperationen vor, um 481 Millionen Rubel
außerordentliche Ausgaben, ferner 150 Millionen Rubel zur Tilgung von
Schatzanweisungen, die auf Grund einer Entscheidung des Finanzausschusses
im Jahre 1905 ausgegeben worden sind, und 180 Millionen Rubel an
Kriegsausgaben zu decken. Zu diesem Zwecke soll eine Anleihe von rus-
sischen und ausländischen Banken aufgenommen werden.
18. April. Der Reichsrat beschließt die Zulassung des
Deutschen, Lettischen und Esthnischen als Unterrichtssprache in den
nichtsubventionierten Privatschulen der Ostseeprovinzen. Für Lite-