Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

96 Das Dentsche Reith und seine einzelnen Glieder. (Mai 11.) 
z befürchten seien, werde man auch uniformierte Beamte zu schicken unter 
mständen für zweckmäßig halten. Bei Parteisommerfesten, zu denen die 
Frauen und Töchter mitgenommen werden spreche die Vermutung dafür, 
daß der gesellige Zweck überwiege. Die Frage des Herrn Dr. Elsas, wie 
er sich zu den Mädchen des württembergischen Landes unter 18 Jahren 
stelle, könne er dahin beantworten, daß bei seinen Jahren dieses Verhältnis 
ein solches der Hochachtung sei. (Heiterkeit.) Gegen Auflösungsverfügungen 
sei zunächst die Verwaltungsbeschwerde bis zum Ministerium des Innern 
und dann die Rechtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit be- 
liebiger kontradiktorischer mündlicher Verhandlung zulässig. Von dem 
Verlangen der Vorlage des Verzeichnisses der Mitglieder des Vorstandes. 
könne nicht abgegangen werden. Oeffentliche Versammlungen werden wohl 
auch in Zukunft in Württemberg meist durch öffentliche Bekanntmachung 
und nicht durch Anmeldung angekündigt werden. Für öffentliche Aufzüge 
sei im allgemeinen an der Anzeige und Genehmigung festzuhalten, außer 
bei geselligen und sportlichen Zwecken, Aufzügen von Kriegervereinen usw., 
bei denen weder Anzeige noch Genehmigung erforderlich sein soll. Polizei- 
liche Genehmigung sei auch schon bisher in Stuttgart und anderen Städten 
für öffentliche Umzüge nötig gewesen. Die öffentliche Straße habe in erster 
Linie der Allgemeinheit zu dienen. Die Bekanntmachung durch Plakate 
genüge, die Gemeindetafel sei aber für öffentliche Bekanntmachungen und 
nicht für Versammlungsanzeigen da. Die 24stündige Frist müsse inne- 
gehalten werden. (Hört! hörtI) Für Veranstaltungen auf öffentlichen 
Plätzen und Straßen sei Genehmigung erforderlich. In der Sprachenfrage 
sei nicht bloß in Versammlungen entsprechend dem § 152 der Gewerbe- 
ordnung der Gebrauch fremder Sprachen in dem Entwurf der Vollzugs- 
verfügung gestattet, sondern es sei auch vorgesehen, daß in anderen Ver- 
sammlungen einzelne Redner fremdsprachig sich auslassen. Der sozial- 
demokratische Antrag, die Vollzugsverfügung im Entwurf der Zweiten 
Kammer zur Begutachtung vorzulegen, widerspreche dem Verfassungs= und 
dem Reichsrecht, das die Vollzugsbestimmungen der Landeszentralbehörde 
überlasse und sie allein für zuständig erkläre. Der Landesgesetzgebung 
seien nur vorbehalten die Ausnahmen zum Sprachenparagraphen. Die 
Regierung sei bemüht, die bisherigen Freiheiten hochzuhalten, soweit das 
irgendwie mit dem Gesetz vereinbar ist. Die Vollzugsverfügung werde in 
liberalem Sinne gehalten sein, darauf könne man sich verlassen. (Lebhafter 
Beifall.) („Frankfurter Zeitung.") 
11. Mai. Der Kaiser richtet folgendes Telegramm an den 
Reichskanzler über die Tätigkeit des Reichstags: 
„Offenburg, 11. Mai 1908. 
Ich habe aus Euerer Durchlaucht Bericht vom 7. d. M. mit großer 
Befriedigung entnommen, eine wie ausgiebige Tätigkeit der Reichstag in 
seiner soeben geschlossenen Session entfaltet und welch eine bedeutende 
Anzahl wichtiger Gesetzesvorlagen und Verträge derselbe erledigt hat. Zu 
diesem sehr erfreulichen Ergebnis, welches neben der patriotischen Haltung 
des Reichstags in erster Linie das Verdienst Ihrer und Ihrer Mitarbeiter 
geschickten und unermüdlichen Bemühungen ist, spreche Ich Euerer Durch- 
laucht hierdurch wiederholt von Herzen Meine Kaiserliche Anerkennung 
und Meinen aufrichtigen Dank aus. Möge dem Vaterlande diese nutz- 
bringende Arbeit des Reichstags zum immerwährenden Segen gereichen 
und für denselben ein Ansporn sein, die großen ihm noch bevorstehenden 
Aufgaben in gleicher Weise auch fernerhin einem erfolgreichen Ende zu- 
zuführen. gez. Wilhelm I. R.“ 
 
	        
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