142 Nes Veutsche Reich und seine ein#elnen Glieder. (September 26.—29.)
Reichstage wie im deutschen Volke in ihrem vollen Ernste durchsetzen wird.
Es scheint mir kaum denkbar, daß das Gedeihen, ja der Bestand des
Deutschen Reiches, das mit so viel Arbeit, so viel Idealismus, so viel
Selbstlosigkeit und so viel Blut geschaffen und zusammengekittet ist, aufs
Spiel gesetzt werden sollte, weil das deutsche Volk trotz seiner steigenden
Wohlhabenheit nicht die zur Erhaltung des Reichs erforderlichen Mittel
hätte aufbringen wollen."“
26. September. (Berlin.) Durch ein Unglück auf der Hoch-
bahn werden 19 Personen getötet.
28. September. über einen deutsch-französischen Zwischenfall
in Casablanca berichtet die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“:
„Bei der Einschiffung von drei deutschen Deserteuren der Fremden-
legion wurden der deutsche Konsulatssekretär und der Konsulatssoldat,
welche die Deserteure auf den Dampfern abliefern sollten, von französischen
Marinesoldaten angegriffen; ersterer wurde von einem Offizier mit dem
Revolver bedroht, letzterer gefesselt und erst auf Einschreiten des deutschen
Dragomans freigelassen. Die Deserteure sind in französischer Haft. Be-
strafung der Schuldigen ist beantragt.“ — Ein Berliner Telegramm der
„Kölnischen Zeitung“ bespricht den Zwischenfall in Casablanca folgender-
maßen: „Der Zwischenfall ist im höchsten Grade bedauerlich. Es kann
keinem Zweifel unterliegen, daß das Verhalten der französischen Soldaten
gegen die deutschen Konsulatsbeamten durchaus rechtswidrig war, und daß
weder die Bedrohung, noch der gewalttätige Angriff auf die Beamten in
irgend einer Weise entschuldigt werden kann. Es sind daher auch sofort
auf diplomatischem Wege von deutscher Seite Vorstellungen erhoben worden.
Die Angelegenheit wird von der deutschen Regierung mit der durch die
Umstände und die Schwere der Uebergriffe gebotenen Entschiedenheit, aber
auch in voller Ruhe weiter verfolgt werden, und man darf annehmen,
daß die nötige Remedur eintreten wird. Schon jetzt liegen Anzeichen vor,
daß man von französischer Seite den Vorfall als ebenso bedauerlich be-
trachtet, wie auf deutscher Seite, zumal gerade jetzt durch das weite Ent-
gegenkommen der deutschen Note eine freundschaftliche Aussprache über die
marokkanischen Verhältnisse in Erfolg versprechender Weise angebahnt war.
Eine Beilegung des Zwischenfalles, so wie sie von deutscher Seite verlangt
werden muß, wird um so leichter sein, als die französischen Ausschreitungen
von untergeordneten Personen begangen worden sind, für deren Handeln
die französische Regierung nur dann als verantwortlich betrachtet werden
kann, wenn sie sie decken würde. Man zweifelt aber keinen Augenblick
daran, daß das nicht geschehen wird, und daß dieser Zwischenfall in loyaler
Weise erledigt werden wird.“
29. September. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schreibt
über die Choleragefahr:
Am Montag, den 28. September, fand im Kultusministerium unter
Beteiligung von Kommissaren der beteiligten Reichsämter und preußischen
Ministerien eine Beratung statt, in welcher Uebereinstimmung darüber be-
stand, daß die Cholera in Rußland in letzter Zeit trotz ihrer räumlichen
Ausbreitung zu einem verhältnismäßigen Stillstand gekommen zu sein
und auch in Petersburg den Höhepunkt überschritten zu haben scheint.
Gleichwohl wurde zu größerer Sicherheit gegen eine Einschleppung der
Seuche nach Deutschland beschlossen, daß an denjenigen Stellen, wo die
Memel, Weichsel und Warthe aus Rußland nach Preußen übertritt, die