Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

328 Greßbritaunien. (November 9.) 
wichtigen Grundsatz ausgehend, wünschen wir alles zu tun, was wir können, 
um ein allgemeines Uebereinkommen zu fördern. Die britische Regierung 
hat keine vorgefaßte Meinung gegen oder keine Vorliebe für irgend eine 
besondere Methode, durch die eine Regelung herbeigeführt werden könnte, 
und niemals gab es den Schatten einer Begründung für den Gedanken, 
daß wir uns den direkten Verhandlungen zwischen der Türkei und Oesterreich- 
Ungarn, sowie zwischen der Türkei und Bulgarien widersetzten. Aber das 
Uebereinkommen muß von den anderen Mächten gegengezeichnet werden, 
und da die Türkei die am meisten benachteiligte Macht ist, so müssen die- 
jenigen, die sie benachteiligt haben, Mittel finden, eine Regelung zu treffen, 
die mit ihrer Ehre und ihren Interessen vereinbar ist. Die Türkei muß 
prüfen und dann Vorschläge machen. Wenn Oesterreich-Ungarn oder 
Bulgarien zu einer direkten Regelung kämen, würde der Weg für eine 
allgemeine Regelung glatter sein. Die Wogen gehen hoch auf dem Balkan, 
wir tun, was wir können, um sie zu besänftigen. Ich freue mich zu sagen, 
daß es eine große Genugtuung für uns ist, daß die Verhandlungen mit 
dem russischen Minister Iswolsky gezeigt haben, daß Rußland und Groß- 
britannien sich in der Frage des nahen Ostens demselben Standpunkte 
genähert haben. Eines der glücklichsten Ergebnisse des Abkommens mit 
Rußland ist, daß wir im stande gewesen sind, die persische Krisis frei und 
sympathisch zu besprechen. Seit dem Abschluß der englisch-russischen Kon- 
vention herrschen in Persien nahe der russischen Grenze Unruhen. Die 
Regierung erkennt an, daß Rußland unter äußerst schwierigen Umständen 
Zurückhaltung und Mäßigung bewies. Wir wünschen nicht, daß angenommen 
wird, wir möchten Europa in verschiedene Gruppen geteilt sehen. Wir 
befinden uns in vollkommener Sympathie mit Frankreich, sind aber gleich 
offen mit Deutschland und Italien, den Verbündeten Oesterreich-Ungarns, 
gewesen. Wir haben eine gänzlich uninteressierte Haltung eingenommen, 
wir fordern nichts für uns selbst, wir wünschen nur das öffentliche Recht 
in Europa aufrechtzuerhalten und für die Türkei solche Regelung, die die 
Störung des Friedens verhindert und einer guten Regierung den Weg zur 
Freiheit öffnet. Bezüglich der Beziehungen Großbritanniens zu Deutschland 
sagte Asquith: Es ist fast genau ein Jahr her, seit Kaiser Wilhelm hier 
unser Gast war. Ich kann die nachdrückliche Erklärung des Kaisers nicht 
vergessen, daß das leitende Ziel seiner Politik die Aufrechterhaltung des 
Friedens in Europa und der guten Beziehungen zwischen Großbritannien 
und Deutschland sei. In diesem Geiste wünschten wir mit den anderen 
Mächten zu verhandeln, mit Deutschland sicherlich nicht minder als mit 
den übrigen. Dieser Geist leitete uns bei allen Verhandlungen bezüglich 
der gegenwärtigen Schwierigkeiten in der europäischen Politik. Wenn, wie 
wir glauben, andere Mächte dieselbe Absicht haben, dann werden die 
Wolken, die für den Augenblick den Himmel verdunkeln — sei es auf dem 
Balkan oder anderswo — ohne Sturm verschwinden, dann wird der Friede 
gesichert, die Atmosphäre von den Dünsten des Argwohns und des Miß- 
trauens gereinigt sein, und die bestehenden Freundschaften werden nicht 
beeinträchtigt werden. Man sollte nicht von Isolierung oder von feindlichen 
Gruppierungen unter den Mächten sprechen, die vereinte Verwalter der 
Zivilisation und oberste Schützer des Friedens der Welt sind. Nichts 
veranlaßt uns, zu schwanken oder unsere Verpflichtungen nicht ordentlich 
zu erfüllen, auch nur für einen Augenblick unseren Freundschaften untrenu zu 
sein. Das ist die unabänderliche Meinung des ganzen Landes. Wir haben 
weder Animositäten, die wir befriedigen, noch selbstsüchtige Interessen, die 
wir fördern. Wir würden nicht widerstreben, eine Hand zu ergreifen, die 
uns in guter Absicht und in Treue entgegengestreckt werden würde. Unsere 
  
  
 
	        
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