Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

Grofibritannien. (November 20.—Dezember 17.) 329 
Flotte ist jeder Verantwortlichkeit gewachsen, vor die sie sich gestellt sehen 
könnte. Jede auswärtige Macht weiß, daß, wenn wir unsere Ueberlegenheit 
zur See unbestreitbar aufrechtzuerhalten wünschen — wie wir es tun —, 
dies nicht zu etwaigen Angriffen oder Abenteuern geschieht, sondern um 
eine für unser Reich elementare Pflicht zu erfüllen, nämlich unseren Handel 
und unsere Industrie außerhalb des Bereiches der Gefahr eines erfolgreichen 
Angriffs von außen zu geser, Das Land mag versichert sein, daß nichts 
ungeschehen bleibt, um unsere Flotte voll auf der Höhe unserer nationalen 
Notwendigkeit zu halten. Regierungen kommen und gehen, Majoritäten 
entstehen und vergehen, aber eine Ueberzeugung wird das britische Volk 
einmütig festhalten: das ist unsere unbestreitbare und unbestrittene Vor- 
herrschaft zur See. 
12. November. Die Presse betrachtet die Rede des Fürsten 
Bülow als Zeichen der freundschaftlichen Gefinnung der deutschen 
Regierung und hofft, daß die Nation sie teile. Die Kritik des 
Kaisers gilt als Zeichen eines parlamentarischen Ausbaus der Ver- 
fassung. 
20. November. Das Unterhaus genehmigt in dritter Lesung 
mit 350 gegen 113 Stimmen die Schankkonzessionsvorlage. Ein 
Teil der Unionisten stimmt dafür. 
26. November. Das Unterhaus genehmigt mit 323 gegen 
157 Stimmen die Unterrichtsvorlage. Ein Teil der Unionisten 
stimmt dafür. 
Anfang Dezember. Oberhausreform. 
Der Ausschuß des Oberhauses, der zur Beratung über eine Reform 
des Oberhauses eingesetzt worden war, empfiehlt in seinem Bericht, daß 
der Besitz der Peerswürde nicht länger zu einem Sitz im Oberhause 
berechtigen solle. Der Ausschuß schlägt vor, daß die erblichen Peers in 
Zukunft zweihundert Peers wählen sollen, die sie für die Dauer einer 
Parlamentstagung vertreten. Ohne Wahl sollen zu einem Sitz im Oberhause 
berechtigt sein diejenigen Peers, die die höchsten Aemter in der Heimat 
innegehabt haben oder Gouverneure der führenden Kolonien gewesen sind, 
ferner Peers, die zehn Jahre dem Unterhause angehört oder den Rang 
eines Vizeadmirals bezw. Generalleutnants erreicht haben, solange sie aktiv 
waren. Endlich wird die Schaffung von Peers auf Lebenszeit ohne Wahl 
bis zur Zahl von 40 empfohlen. Die Kolonien sollen im Oberhause offiziell 
vertreten sein. 
17. Dezember. (Oberhaus.) Staatssekretär für Indien 
Viscount Morley sagt über die Lage in Indien: 
Nach der Ansicht namhafter Persönlichkeiten der indischen Regierung 
sei die Lage der Regierung so gesund und wohl gefestigt, als sie es je gewesen 
ist. (Beifall.) Es sei nötig, die Ausschreitungen zu unterdrücken. Es wäre 
ein Zeichen von Schwäche, wollte man die Politik der Reformen der 
Bomben und der Mörderklubs wegen aufgeben. Leute, die sonst die beste 
Gesinnung hätten, würden, wenn die Reformpolitik nachlasse, zu Radikalen 
und unversöhnlichen Gegnern werden. Sowohl er, der Staatssekretär, als 
auch die Regierung Indiens seien deshalb niemals in ihrem Entschluß 
 
	        
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