Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

XVI. 
Rußland. 
Anfang Januar. (Polen.) Es wird bekannt, daß der 
wegen der preußischen Polenpolitik versuchte Boykott deutscher 
Waren nicht durchführbar ist. 
Januar. Ostseefrage und Deutschland. 
Die „Nowoye Wremja“ schreibt, Deutschland habe die Frage, ob die 
Ostsee als mare clausum anzusehen sei, angeregt, um in Friedenszeiten 
die Ostsee in ein mare teutonicum zu verwandeln, im Falle eines Krieges 
aber eine Beschießung der Ostseeküsten zu verhüten. Die Ostseefrage sei 
somit ausschließlich deutsches Interesse. — Demgegenüber stellt das Wolffsche 
Telegraphenbureau auf das bestimmteste fest, daß die Frage des mare 
clausum bei den Ostseeverhandlungen überhaupt nicht erörtert, mithin auch 
niemals von deutscher Seite angeregt worden ist. 
Anfang Februar. Der Kaiser und Finnland. 
Offiziös wird berichtet: Bei dem am 30. Januar durch den finn- 
ländischen Staatssekretär Gerhard dem Kaiser unterbreiteten Rapporte über 
die Deklaration des finnländischen Landtages auf die Aufforderung des 
Kaisers betreffend eine 1906/1907 seitens des finnländischen Schatzamtes 
an das Reichsschatzamt zahlbare Subsidie für den Kriegsbedarf schrieb der 
Kaiser eigenhändig folgende Resolution auf die Deklaration: Angesichts der 
in der Deklaration des finnländischen Landtages auf Meine Aufforderung 
hin ausgeführten Betrachtungen mache Ich den Landtag darauf aufmerk- 
sam, daß das Verfügungsrecht über die Mittel des Staats= und Milizfonds 
ausschließlich Meinem Gutachten untersteht, weshalb Ich die Meinung des 
Landtages als mit den wirkenden Gesetzen nicht im Einklang befindlich 
erachte. Ich befehle, 20 Millionen Mark den Ressourcen des Reichsschatz- 
amtes zu zahlen, wobei 16 400000 Mark den Summen des Milizfonds 
und 3600000 Mark den vom Landtage votierten temporären Steuern zu 
entnehmen sind. Bei dem am 30. Januar von Gerhard dem Kaiser unter- 
breiteten Rapporte über die Deklaration des Landtages auf die Aufforde- 
rung des Kaisers, Mittel für die diesjährigen Bedürfnisse zu beschaffen, 
zu deren Deckung die gewöhnlichen Staatseinnahmen nicht ausreichen, 
erfolgte folgende eigenhändige Resolution: Ich befehle die vom Landtage 
votierten temporären Steuern einzutreiben und zu verausgaben, wie auch 
früher, ohne sie mit den Mitteln des Staats-, Miliz= und anderer Re- 
gierungsfonds zu vermengen, und bestätige abermals dem Landtage, daß 
das Verfügungsrecht über diese Fonds ausschließlich Mir gehört. 
 
	        
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