Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

44 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 18.) 
Wir haben verschiedene Seuchenherde dort, wie Pest und Lepra, alle Sorten 
von Magenkrankheiten, von Darmkrankheiten; wir haben große Syphilis- 
sterblichkeit, wir haben viele Malaria, die Schlafkrankheit. Kurzum, die 
Anzahl der Krankheiten, von denen diese Neger verfolgt werden, ist Legion. 
Bis dahin haben wir Aerzte gehabt, die vorzugsweise im militärischen 
Dienste waren, auch bei den Eingeborenen viel genutzt haben, aber auch 
sehr schnell versetzt wurden. Aber zu einem organisierten Studium ist es 
nicht gekommen. Diesem Mangel soll abgeholfen werden. Ich will als 
erstes hier versuchen, ein Sanitätsamt einzurichten, welches sämtliche mit 
der Negersanität zusammenhängende Fragen studiert und alle Mittel an- 
gibt, welche notwendig sind, um eine bessere Sanität, vor allen Dingen 
um eine bessere Fortpflanzung zu ermöglichen. Es ist eine sehr merk- 
würdige Situation, daß im Durchschnitt auf die Hütte in Ostafrika drei 
bis dreieinhalb Menschen kommen, d. h. daß die Kinderzahl entgegen allen 
anderen Beobachtungen bei Negern sehr gering ist. Es ist dem Oberstabs- 
arzt von Ostafrika der Auftrag erteilt worden, einen solchen Plan, das 
Land in einzelne Physikatsbezirke zu teilen, auszuarbeiten und sich damit 
zu beschäftigen. Die Mittel werden dafür, wie ich Ihnen später erläutern 
werde, aus den Kommunalfonds genommen. Ebenso, meine Herren, müssen 
wir aber auch die wirtschaftlichen Kräfte zusammenfassen, um eine bessere 
Landeskultur dort einzuführen, Versuche mit besseren Getreidearten zu 
machen und Wasserstellen aufzusuchen. Ich meine, die Wasserfrage in Ost- 
afrika ist nahezu so wichtig wie die Wasserfrage in Südwestafrika. Auf- 
forstungen, Anpflanzungen von Kulturbäumen müssen vorgenommen werden, 
und die Vertilgung der Viehkrankheiten, Einführung besserer Sorten Vieh, — 
alle diese Dinge muß ein Landeskulturamt in die Hand nehmen, und die 
Mittel auch dafür sollen aus den Kommunalfonds fließen. Ich komme 
hiermit auf die Mitteilung des Herrn Dr. Semler zurück, daß im nächsten 
Jahre die 50 Prozent und die 30 Prozent nicht mehr aus der Häuser- 
und Hüttensteuer ausgesondert, sondern ganz vereinnahmt werden sollen, 
und daß dafür in Form von Pauschalen in jedem der einzelnen Bezirke — 
ich will die Kommunen möglichst aufheben — solche Summen eingesetzt 
werden. Dagegen müssen Daressalam und Tanga eine städtische Verfassung 
haben. Damit komme ich auf die Verwaltung des Schutzgebietes und habe 
darüber sehr ausführlich zu sprechen. Die Kommunen, die im Jahre 1901 
gemacht worden sind, sind nur dem Namen nach Kommunen, und wenn 
Sie sehen, wer diese Bezirksräte sind, die bei der Aufstellung des Etats 
mitwirken, so kommen Sie zu sehr merkwürdigen Sachen. Da ist z. B. 
der Bezirk Rufiji. Dort ist ein Landwirt und sind zwei staatliche Förster 
die Bezirksräte, und drei Unteroffiziere sind Stellvertreter. So ist es an 
vielen Stellen. Die Mittel aber, die diesen eigentlich nicht existierenden 
Kommunen zugeführt werden, sind ganz gewaltig. Sie würden in diesem 
Jahre 750000 Mark aus Hüttensteuer und 90000 Mark aus Gewerbe- 
steuer sein. Das schien mir schon viel zu viel. Ich habe ihnen deshalb 
250000 Mark für die Landespolizei abgenommen. Aber wenn man die 
Wirtschaftspläne ansieht, so sieht man, daß nicht sehr wirtschaftlich ge- 
arbeitet wird. Diese Pläue sind im amtlichen Anzeiger von Ostafrika vom 
15. Juni 1907 abgedruckt, und dieser Anzeiger befindet sich in der Biblio- 
thek des Reichstags. Das könnte man abändern. Aber der organische 
Grundfehler ist, daß die reichen Bezirke, die viel aufbringen, die Hälfte 
gar nicht zweckmäßig verwenden können und deshalb thesaurieren, während 
andere Bezirke, die das Geld außerordentlich brauchen, überhaupt nichts 
bekommen. Deshalb will ich diese Einrichtung aufheben und an deren 
Stelle Pauschale setzen. Es soll der Etat wie bisher durch die Bezirksräte