54 Das Dentsqe Reiqh und seine einjelnen Glieder. (Februar 5.)
das Nationalvermögen infolge des neuen Zolltarifs eine erhebliche Stei-
erung erfahren habe. Der Wortführer der Reichspartei nagelt dies
fis. Er verweist auf die bemerkenswerte Tatsache, daß nur die Sozial-
demokraten unbedingt sich für die Nachlaßsteuer aussprechen, daß dagegen
auch die Freisinnigen zum Teil Bedenken ausgesprochen haben und eine
Vermögenssteuer vorziehen. Die Reichspartei stellt nunmehr einen for-
mellen Antrag, der auf eine Veredelung der Matrikularbeiträge als Ersatz.
für die Nachlaßsteuer abzielt. Es sollen für den Fall der Ablehnung der
Nachlaßsteuer die verbündeten Regierungen um die Vorlage eines Gesetz-
entwurfs ersucht werden, durch den die Aufbringung des hierdurch ent-
standenen Fehlbetrages durch die Bundesstaaten in folgender Weise geregelt
wird: In den Bundesstaaten ist bis zum 1. Oktober 1909 das Gesamt-
vermögen nach einheitlichen Grundsätzen festzustellen. Der Feststellung sind
im allgemeinen die Bestimmungen des preußischen Ergänzungssteuergesetzes
vom 19. Juni 1906, jedoch mit der Maßnahme zugrunde zu legen, daß
bei der Feststellung nur das Vermögen des Landesfürsten und der Landes-
fürstin außer Ansatz zu lassen ist und daß bei Grundstücken, die dauernd
land= oder forstwirtschaftlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind und die
durch öffentlich-rechtliche Kreditanstalten oder durch amtlich dazu berufene
öffentliche Behörden abgeschätzt sind, der zugrunde zu legende Wert diese
Schätzung nicht übersteigen darf. Die Umlegung des Fehlbetrages auf die
Bundesstaaten erfolgt nach Maßgabe des in ihnen festgestellten Vermögens.
Den Bundesstaaten bleibt es überlassen, den auf sie entfallenden Betrag
durch Besteuerung des Einkommens oder des Vermögens oder der Erb-
schaften aufzubringen.
Inzwischen geht die Aussprache über die Nachlaßsteuer selbst weiter.
Von freisinniger Seite wendet man sich gegen die Haltung der Konser-
vativen und des Bundes der Landwirte, die bei der Agitation gegen die
Nachlaßsteuer es unterließen, den Bauern mitzuteilen, daß vier Fünftel
der Bauern durch die Nachlaßsteuer der Regierungsvorlage nicht getroffen
würden. Der Antrag der Reichspartei bedeute einen überaus tiefen Ein-
griff in die Rechte der Einzelstaaten, denen er sogar vorschreibe, wie sie
ihre Finanzen zu regeln hätten. In die Verhandlung greifen dann nach-
einander die Finanzminister der Einzelstaaten ein. Der bayerische
Finanzminister erklärt, er sei mit seinen sämtlichen Kollegen von der
Notwendigkeit der Mitbesteuerung des Besitzes durchdrungen. Aber der
einzig annehmbare Weg hierzu sei die Nachlaßsteuer. Der Minister führt
speziell für seine heimische Landwirtschaft aus, daß sie durch die Vorlage
fast gar nicht getroffen wird. Ziehe man die Einzelstaaten auf anderm
Wege zur direkten Besteuerung heran, so müßte mit der Verkümmerung
ihrer Kulturaufgaben der Reichsgedanke Schaden leiden. Die Regelung
der Matrikularbeiträge in der Art, wie sie die Reichspartei mit ihrem
Antrage vorschlage, mute den Regierungen eine technisch undurchführbare
Aufgabe wenigstens für die nächsten Jahre zu.
Von freisinniger Seite wird nunmehr als Ersatz für die Nachlaß-
steuer für den Fall der Ablehnung derselben eine Reichsvermögens-
steuer beantragt und zwar quotisiert derart, daß jährlich im Reichshaus-
haltsetat bestimmt werden soll, wieviel Monatsraten zu erheben sind. Die
Reichsvermögenssteuer erklärt der sächsische Finanzminister für un-
annehmbar. Er unterstreicht die Ausführungen seines Kollegen aus Bayern.
Der Weg der Veredelung der Matrikularbeiträge sei auch noch nicht ent-
fernt gefunden. Im gleichen Sinne spricht sich der Vertreter der thü-
ringischen Staaten aus. Er gibt eine beredte Schilderung der Finanz-
nöte im Großherzogtum Sachsen, wo neue Steuergesetze nötig seien, um