Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang. 1910. (51)

XVI. 
Rußland. 
3. Januar. (Petersburg.) Die feierliche Beisetzung des 
Großfürsten Michael Nikolajewitsch in der Festungskirche in Peters- 
burg findet unter Beteiligung des Zaren und der Zarin, der Groß- 
herzogin Anastasia von Mecklenburg und des Prinzen Heinrich von 
Preußen statt. 
Der Leichenzug bewegte sich vom Nikolaibahnhofe über den Newski- 
prospekt, das Marsfeld und die Troitzkibrücke. Zur Sicherheit waren vor- 
her von der politischen Polizei 1136 Verhaftungen vorgenommen. 400 
Studenten erhielten vom Stadthauptmann unentgeltlich Fahrkarten nach 
verschiedenen Städten unter der Bedingung, daß sie zur Zeit der Beerdigung 
des Großfürsten Michael Nikolajewitsch Petersburg verlassen. 
4. Januar. Die Untersuchung gegen den Revolutionär Michael 
Woskresensky, der am 22. Dezember den Chef der politischen Polizei, 
Oberst Karpow, durch eine Bombenexplosion ermordet hatte, er- 
gibt, daß er das Verbrechen im Auftrage des Revolutionskomitees 
begangen habe. 
7. Januar. Zur Vorgeschichte des russisch-japanischen Krieges. 
In der „Monde illustré“ veröffentlicht der russische Nihilist Brutzew 
geheime Schriftstücke des russischen auswärtigen Amts, die beweisen sollen, 
daß der Zar über den Kopf des Ministers Lamsdorff und des Gesandten 
in Tokio hinweg mit der japanischen Regierung verhandelte und im Januar 
1904 entschlossen war, die Japaner eventuell auch ohne Kriegserklärung 
angreifen zu lassen. Am 14. Januar 1904 drahtete Nikolaus an seinen 
Statthalter in Ostasien, Generaladjutanten Alexejew: „Nehmen Sie es zu 
Ihrer persönlichen Richtschnur, daß, wenn die Japaner an der Süd= oder 
Ostküste von Korea südlich vom Breitengrade von Söul landen, Rußland 
durch die Finger sehen und dies nicht als Kriegsgrund betrachten würde. 
Man kann die japanische Besitzergreifung von Korea bis zu den Bergen 
dulden, die die Wasserscheide zwischen dem Flußgebiet des Jalu und des 
Tumen bilden.“ Am 26. Januar 1904 drahtete der Zar an Alexejew: 
„Es ist zu wünschen, daß die Japaner und nicht wir die Feindseligkeiten 
eröffnen. Wenn sie also nicht anfangen, dürfen Sie ihre Ausschiffung im 
Süden oder an der Ostküste von Korea bis Gensan einschließlich nicht 
stören. Wenn jedoch ihre Flotte mit oder ohne Landungstruppen an der 
Westküste Koreas den 38. Breitengrad in nördlicher Richtung überschreitet, 
ist Ihnen gestattet, sie anzugreifen, ohne ihren ersten Schuß abzuwarten. 
Ich verlasse mich auf Sie. Gott beschütze Sie.“
	        
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