Tirkei. (November 1—6.) 519
1. November. Cripolis.) Ergebnis des ersten Monats
des italienischen Feldzuges.
Infolge ihrer Schlappen am 23. und 26. Oktober sind die Italiener
auf die Stadt Tripolis und ihre allernächste Umgebung beschränkt, nachdem
die anfangs ohne Schwertstreich besetzten Forts von den Türken und Arabern
wieder erobert sind. Außerdem sind Homs und in der Cyrenaika die Häfen
Benghasi, Derna und Tobruk italienisch.
1. November. Das jungtürkische Zentralkomitee erklärt, daß
es sich nicht mehr in die Angelegenheiten der Regierung ein-
mischen werde.
2. November. Ein Rundschreiben des Ministeriums des
Innern unterwirft die in der Türkei angesiedelten Italiener den-
selben Steuern und Abgaben wie die Ottomanen.
3. November. (Tripolis.) An Bord des „Vittorio“ reisen
der deutsche Marineattaché Fuchs und der österreichische Militär=
attaché sowie der französische und russische Marineattaché ab, da
sie ihre Mission als beendet betrachten.
4. November. Die Pforte protestiert bei den Großmächten gegen
die in Tripolis an Kindern, Frauen und Greisen verübten Grau-
samkeiten der italienischen Soldaten. (Siehe 6. und 8. November!)
6. November. Die Protestnote der Pforte gegen die italienischen
Grausamkeiten wird veröffentlicht.
Die Note ist an alle Regierungen gerichtet, die an der Haager Kon-
ferenz von 1907 beteiligt waren. Sie weist auf Artikel 1 und 2 der Vor-
schriften betreffend Kriegsgebräuche hin, worin die Bevölkerung, welche vor
der Okkupation eines Landes freiwillig zu den Waffen greift, als krieg-
führender Teil anerkannt wird. Durch seine Handlungsweise gegen die
Bevölkerung von Tripolis und Benghasi hat Italien, so heißt es in der
Note, die von ihm selbst zugelassenen Grundsätze mit Füßen getreten. Das
Gewissen der Welt schreit vor Entsetzen bei den von unparteiischen Zeugen
veröffentlichten Einzelheiten über die Kriegführung der Italiener, welche
die Bewohner der Dörfer bei Tripolis unter Unterschied des Alters und
Geschlechts unbarmherzig niedergeschossen haben, weil einige patriotische
Osmanen in Tripolis die um die Befreiung der Stadt kämpfende Armee
saten unterstützen wollen. Der italienische Generalstab, so fährt die Note
ort, ließ Tod und Verderben unter die Einwohner säen, Unschuldige nieder-
schießen und kranke Türken in Massen auf die Schiffe bringen. Die Pforte
würde sich für berechtigt halten können, die Vorschriften der Haager Akten
gegenüber Italien nicht zu beachten. Sie schlug diesen Weg aber nicht
ein, vermied es, die Massen der Italiener aus dem Lande zu weisen, und
gab Befehl, die in Gefangenschaft geratenen Italiener gut zu behandeln
und sich nicht an den in der Türkei ledenden Italienern zu vergreifen.
Die Note betont schließlich, die Pforte erfülle mit ihrem Protest gegen die
Grausamkeiten und Metzeleien der Italiener nicht nur eine Pflicht der Selbst-
verteidigung, sondern auch eine höhere Pflicht gegenüber den solidarischen
Nationen, weil die Zivilisation der Gegenwart Gefahr laufe, ein leeres
Wort zu werden.