90 Das Dentsqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (März 4.)
Kolonialstaatssekretär Dr. Solf macht Mitteilungen über das Er-
gebnis seiner Recherchen wegen der behaupteten Grausamkeiten der Schutz-
truppe gegen Eingeborene. Es habe sich aus den Akten nichts darüber
ergeben, namentlich auch nicht über behauptete Grausamkeiten der Truppe
des Majors Johannes. Auf eine telegraphische Anfrage beim Gouverneur
sei eine negative Antwort eingegangen. Die Verwaltung scheue das Licht
der Oeffentlichkeit nicht im geringsten und bitte um Vorlegung etwaigen
Materials. Beim Etat für Togo wird Auskunft gegeben über den Stand
der Schlafkrankheit. Sie verlaufe dort anders als in den anderen Kolonien.
Es sind meist Leichtkranke, die die Krankheit nicht so fühlen und die Be-
handlung erschweren, weil sie nicht genügend Geduld zum Aufenthalt in
den Lagern haben. Man habe deshalb eine geringere Summe in den Etat
eingestellt. Der Staatssekretär gibt weiter Auskunft über die Ausbreitung
der deutschen Sprache in Togo. An der Küste sei das Pidgin-Englisch
durch die deutsche Sprache verdrängt worden. Zum Etat für Südwest-
afrika wurde ausführlich über die Diamantenfrage verhandelt. Staats-
sekretär Dr. Solf erklärt, die neue Diamantenbesteuerung sei nunmehr
durchgeführt. Man erwarte von ihr eine Belebung der Produktion. Die
Förderer seien den Wünschen des Reichstags entsprechend an der Regie
beteiligt, nicht nur mit 50 Prozent an den Aktien, sondern auch mit 50 Pro-
zent an den Aufsichtsratsstellen. Auch sei eine verstärkte staatliche Aufsicht
durchgeführt durch einen zweiten Kommissar, der sich völlig in den technischen
Betrieb einarbeite. Endlich sei für den Verkauf der Diamanten ein all-
gemeiner öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben, der entgegen den Behaup-
tungen eines Kommissionsmitgliedes durchaus ernsthaft gedacht sei. Es
werden sich auch mit Sicherheit fünf bis sechs Konzerne beteiligen. Den
deutschen Firmen habe er allerdings geraten, sich nicht in dem Sinne zu
beteiligen, daß deutsche Diamanten geschädigt werden sollten. Dazu wären
die Quantitäten noch zu gering und die deutschen Steine zu einheitlicher
Art; die Debeers Compagnie verfüge über alle Sortimente. Für die Ver-
waltung müsse in erster Linie natürlich die Aufgabe sein, die Produktion
möglichst gut zu verkaufen; aber im Rahmen dieser Aufgabe sei er gern
bereit, alles zur Förderung der deutschen Industrie zu tun. Es seien ihr
fünf Prozent Rabatt gewährt. Dieser Vorsprung dürfe nicht als Gewinn
angesehen werden. Wenn die Lohnschleifer daran nicht teilnehmen können,
weil ihnen das Kapital zum Steineinkaufen fehlt, so kann das von der
Verwaltung selbst nicht geändert werden. Man habe aber angeregt, eine
Ein= und Verkaufsgenossenschaft zu gründen, die auch den armen Arbeitern
Einkauf und Kredit ermöglichen könnte. Weiter sei ein Beitrag für die
Hanauer Schleisschule gegeben worden, und auch in Berlin solle eine
Schleisschule gegründet werden. Die Feldersteuer der Kolonialgesellschaft
sei auf Grund von Verhandlungen herabgesetzt worden von 30 Mark auf
15 Mark.
4. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Elektrisie-
rung der Berliner Stadtbahn.
In der Kommission für die Frage des elektrischen Betriebes auf der
Berliner Stadt-, Ring= und Vorortbahn findet die Abstimmung statt. Die
Regierungsvorlage (50 Millionen) wird mit 14 gegen 7 Stimmen ab-
gelehnt und mit 11 gegen 10 Stimmen beschlossen, zur Vorbereitung eines
elektrischen Betriebes auf der Berliner Stadt= und Ringbahn 25 Millionen
zu bewilligen. Von den Vorortbahnen soll vorläufig nicht die Rede sein.
Mit 17 gegen 4 Stimmen wird eine Resolution angenommen, nach der die
Staatsregierung ersucht wird, die Tarife soweit zu erhöhen, daß auch für