Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

160 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 9.) 
Schießübungen der Feldartillerie, das Brigadeexerzieren der Infanterie muß 
auf die Truppenübungsplätze verlegt werden. Gir haben jetzt die Truppen- 
übungsplätze geschaffen, auf denen die Schießübungen stattfinden könnten, 
da sollten die Uebungen im Gelände wegfallen. Nach Bewilligung der 
Mittel für die feldgrauen Uniformen ist es höchste Zeit, daß der Uniform- 
luxus aufhört. Es ist ein offenes Geheimnis, daß unsere Artillerie mit 
den Geschühen nicht auf der Höhe steht. Ein neues Artilleriematerial wird 
nötig werden, gerade auch durch die Entwicklung des Luft= und Flieger- 
wesens. Unsere Kulturaufgaben sind Legion. Unsere Altpensionäre find 
in ihren Bezügen zu verbessern. Die Hälfte unserer Veteranen hungert 
trotz aller schönen lrl den. Diese Vorlage strengt die finanziellen Kräfte des 
Reiches zu sehr an. Ich stehe ihr deshalb mit den größten Bedenken gegen- 
über. (Stürmischer Beifall I. Zischen r.) 
      Kriegsminister v. Heeringen: Wenn die Kritik des Herrn Häusler 
auch nur in wenigen Momenten zuträfe, dann ftände es um die deutsche 
Armee schlecht. Das ist es nicht. Ich weiß nicht, wo der Herr Abgeordnete 
in der Armee seine Erfahrungen gesammelt hat. Ich kenne doch die Armee, 
und mit mir viele andere stehen auf ganz anderem Standpunkt. Wenn 
man so sparen wollte, wie er es vorgeschlaten hat, dann würde ich lieber 
empfehlen, den Rotstift zu nehmen und durchzustreichen, ohne erst zu prüfen, 
was auf der Seite steht. Auf die Schlagfertigkeit kommt es an. Der deutsche 
Soldat kostet gewiß mehr wie der französische und zwar, weil er gerade 
umgekehrt viel mehr Löhnung bekommt und besser untergebracht ist. Der 
deutsche Soldat bekommt 108 Mark Löhnung, der po ische 14,40. Die 
Bekleidung, die der Abgeordnete  angegriffen hat, ist in Deutschland weniger 
kostspielig als in Frankreich. Da wirtschaften wir billiger. Wir besolden 
unsere Leute besser. Darin liegt der Schwerpunkt, warum der deutsche 
Soldat mehr kostet. Der Redner hat von der zu reichlichen Bezahlung der 
deutschen Offiziere gesprochen. Ich möchte den shnen, der bei seiner Dienstzeit 
Reichtümer gesammelt hat. (Lachen bei den Sd.) Auch seinen Organisations- 
vorschlägen kann ich mich nicht anschließen. Die Organisationsumänderungen 
würden sehr viele Millionen kosten. Wir brauchen Stellen für die Offiziere 
zur Vorbereitung für den Krieg. Es ist möglich, die Inaktiven heran- 
zuziehen, aber nur für Stellen der zweiten Linie. Die körperliche Leistungs- 
fähigkeit- dieser Herren ist meistens sehr beschränkt, und wir können auf 
diese also nicht zurückgreifen. In einem hat er recht, daß die wissenschaft- 
liche Ausbildung zu fördern wäre beim Offizierkorps. Das wird aber auch 
geschehen. Ich muß aber bestimmt dagegen protestieren, daß unser Artillerie- 
material nicht genüge. (Zustimmung r.) Das hat eine weitergehende Be- 
deutung für das Ausland, und deshalb muß ich entschieden widersprechen. 
Daß wir auf der Höhe sind, beweist ja, daß Frankreich uns bei der Artillerie 
folgt, obwohl es früher unser System verfehmt hat. Für den Sieg im Kriege 
sind nicht marschfähige und cheßfähige Soldaten das einzige, die Haupt- 
sache ist die Disziplin. Diese Disziplin kann man aber nur in einer be- 
stimmten Zeit hineinbringen. Zu dieser Disziplin kann man nur in längerer 
eit erziehen. Wenn wir die Dienstzeit herabsetzen, setzen wir auch die 
Schlagfertigkeit herab. Frankreich beweist das ja auch. Die dreijährige 
Dienstzeit wird in Frankreich wieder eingeführt weil man den Rückgang 
der französischen Kavallerie durch die zweisährige Dienstzeit befürchtete. Die 
Weglassung alles Parademäßigen ist in der deutschen Armee schon in vollem 
Umfang durchgeführt. (Schallendes Gelächter I.) Das ist in unseren In- 
struktionen genau niedergelegt. Auf die Ausbildung der Ersatzreserve läßt 
sich die deutsche Heeresverwaltung nicht ein. Wir können doch diese Zwanzig- 
wochen-Ausgebildeten nicht als mobile Formation einstellen. Sie müßten 
  
  
 
	        
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