Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 9.) 161
im Falle eines Krieges zunächst zurückbleiben. Wir müssen Menschen für
die erste Linie haben. Herr Häusler hat auf Vorgänge von 1813 hin-
gewiesen, wo die kurz ausgebildeten Soldaten Tüchtiges geleistet haben.
Gewiß hatten damals die Soldaten schlechte Ausbildung. Es kommt darauf
an, was für einen Gegner sie hatten. Wenn das alte französische Heer
noch existiert hätte, würde der Stand der preußischen Armee sehr viel
schwieriger gewesen sein. Nach der Schlacht bei Dennewitz drehte die
preußische Landwehr das Gewehr um und ging mit dem Kolben darauf
los. „Das flutscht mehr,“ hieß es. Das geht heute nicht mehr. Das deutsche
Heer kann nur Tüchtiges leisten, wenn eine gute Ausbildung im Frieden
erfolgt. (Lebhafte Zustimmung r.)
Bayerischer Militärbevollmächtigter General Wenninger: Der Gene-
ral Häusler hat zweifellos als Sachverständiger gegolten. Wenn er damals
die heutigen Anschaunungen gehabt hätte, daß man in ein paar Stunden
Soldaten ausbilden kann, dann wäre er wohl kaum General geworden. (Zu-
stimmung r. und Lärm I.) Ich möchte aber doch sagen, daß die Technik
weit vorgeschritten ist. Ich nehme an, daß der Herr, da er diese Fortschritte
nicht miterlebt hat, zugeben wird, daß sein Urteil etwas eingeschränkt werden
muß, obwohl er früher zweifellos ein sachverständiges Urteil hatte. Die
Kenntnisse für die Kavallerie besitzt er aber zweifellos nicht. Ich muß der
sogenannten Sachverständigkeit des Herrn Generals hier ganz entschieden
widersprechen. (Vizepräsident Dove: Ich möchte bemerken, daß es hier nur
Abgeordnete gibt. (Lebhafte Zustimmung und Heiterkeit.) Es hat mich Ueber-
windung gekostet, Herrn Häusler als General anzusprechen. Das war eine
kleine Unanständigkeit von mir. (Großer Lärm l.) Ich werde jetzt nur noch
von dem Abg. Häusler sprechen. Ich habe es für meine Pflicht gehalten,
als Vertreter der bayerischen Armee dies hier auszusprechen. (Zustimmung
r. und schallendes Gelächter l.)
Abg. Laux (Bayer. Bbd.): Ich muß sagen, daß die Ausführungen
des bayerischen Militärbevollmächtigten nicht etwa glücklich und angebracht
waren. (Lebhafte Zustimmung l.) Er hat vor allem vergessen, daß Herr
Häusler nicht mehr General ist, sondern Reichstagsabgeordneter. (Lebhafte
Zustimmung.) Ich kann vieles unterschreiben, was Herr Häusler gesagt hat,
wenn ich auch nicht in allem mit ihm zusammengehe, weil wir die Wirkung
auf das Ausland nicht vergessen dürfen. Dann übt der Redner eine scharfe
Kritik an dem heutigen Militärsystem und verlangt eine viel größere Spar-
samkeit. Die Bevorzugung des Adels muß fallen, und es gibt noch viel
Ueberflüssiges, was beseitigt werden kann. Die Besetzung der höchsten Kom-
mandostellen durch Prinzen ist durchaus nicht angebracht.
Reichskanzler v. Bethmann Hollweg: Es ist nicht der letzte
Tag der Debatte, der mich veranlaßt, das Wort zu nehmen, sondern wir
haben das Bedürfnis, zu zwei Punkten, die gestern und heute erwähnt
worden sind, kurz Stellung zu nehmen. Zunächst will ich der Auslegung
entgegentreten, welche einige Redner meinen Bemerkungen über slawisch-
germanischen Gegensatz gegeben haben. Ich habe von den panslawi-
stischen Strömungen gesprochen, denn ich konnte an diesen Strömungen nicht
vorübergehen, weil sie in der gegenwärtigen Balkankrise eine markante Rolle
spielen. Aus diesen panslawistischen Gegensätzen hat ein Teil der Publizisten
eine Auseinandersetzung zwischen dem Slawentum und dem Germanentum
gefolgert. Gegen dieses Schlagwort habe ich entschiedenen Widerspruch ein-
gelegt. Ich habe vor ihm gewarnt, und ich wiederhole diese Warnung heute
noch einmal mit ernstem Nachdruck. Das Schlagwort verwechselt die plan-
slawistische Strömung mit der Zugehörigkeit zur slawischen Rasse. Die
slawische Rasse ist ebenso wie die germanische auf viele Länder verteilt und
Europäischer Geschichtskalender. LIV. 11