162 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 9.)
wohnt da im Zusammenhang mit anderen völkischen Bestandteilen. Schon
insofern ist dieses Schlagwort unfair und unrichtig. Das Schlagwort ist
auch um deswillen unrichtig, weil es reale Interessengegensätze zwischen uns
und Rußland nicht gibt, das habe ich mit großer Entschiedenheit bestritten;
und das Schlagwort schädigt endlich die Politik, die ich zu führen wünsche
und die auf die Erhaltung eines gutnachbarlichen Verhältnisses gerichtet ist.
Auch aus einem zweiten Grunde habe ich das Wort ergriffen. Es sind von
verschiedenen Rednern ganz irrtümliche Darstellungen über die Ein-
führung der Wehrvorlage ausgesprochen worden. Weder hat der Wehr-
verein die Wehrvorlage veranlaßt, noch ist eine Kapitulation des Herrn
Kriegsministers oder meiner Person vor dem Generalstab erfolgt. Aus poli-
tischen und militärischen Gründen habe ich mich im November vorigen Jahres
von der Notwendigkeit überzeugt, neue Rüstungen für unsere Armee vor-
unehmen. Auf Grund dieser Ueberzeugung, die von meinen Nachbarn, dem
Herrn Kriegsminister und dem Chef des Generalstabes geteilt wurde, sind
die Vorarbeiten in Angriff genommen worden. Daß wir dann nicht sofort
an die Oeffentlichkeit getreten sind, dafür werden Sie Verständnis haben.
Aber der Entschluß stand damals fest, und dieser Entschluß ist entstanden
aus dem Verantwortlichkeitsgefühl für die Sicherheit unserer Zukunft. Ich
habe aus dem bisherigen Verlaufe der Verhandlung den Eindruck gewonnen,
daß die große Mehrheit dieses Hauses sich bei den kommenden Beschlüssen
von dem gleichen Verantwortlichkeitsgefühl leiten lassen wird, daß sie es er-
kennt, welche große und ernste Bedeutung die Beschlüsse haben werden, die
Sie fassen. (Lebhafter Beifall r.)
Damit schließt die Debatte. Persönlich bemerkt Abg. Häusler (Z.):
Ich wollte in keiner Weise eine Inseriorität der Artillerie beweisen oder
behaupten. aber ich wollte den Wünschen und Anregungen, die zahlreich nach
einer Verbesserung laut werden, ein Wort reden. Was das Eingreifen des
bayerischen Herrn Bevollmächtigten anlangt, so nehme ich als bayerischer
Landsmann ihm das nicht übel, ich muß aber doch darauf bestehen, daß
meine Tätigkeit von jener Seite nicht kritisiert wird. — Bayerischer Bundes-
ratsbevollmächtigter Wenninger: Ich möchte im Namen des bayerischen
Offizierskorps das tiefste Bedauern aussprechen, daß der Abg. Häusler hier
Worte gesprochen hat in seiner Rede, die ihren Beifall nicht in der eigenen
Partei, sondern in der äußersten Linken gefunden haben. (Stürmischer Wider-
spruch auf der Linken und Zischen, großer dauernder Lärm.) — Abg. Lede-
bour (Sd.): Ich muß in der wiedereröffneten Debatte entschieden Verwahrung
dagegen einlegen, daß einer der Militärbevollmächtigten sich hier erlaubt,
einem Abgeordneten Vorhaltungen darüber zu machen, weil er auf irgend-
einer Seite des Hauses und nicht bei seiner Partei Beifall erhalten hat.
Das geht den Herrn Bundesratsbevollmächtigten gar nichts an. Ich sollte
glauben, daß auf allen Seiten dieses Hauses, bei allen Parteien so viel
Selbstgefühl als Vertreter des Volkes vorhanden wäre, daß sie mir hier
zustimmen. (Stürmischer Beifall I., Zischen und Widerspruch r., großer Lärm.)
— Bundesratsbevollmächtigter Wenninger, mit Schlußrufen empfangen:
Ich habe nicht als Bundesratsbevollmächtigter, sondern als bayerischer Offizier
gesprochen. — Abg. Frank (Sd.): Die erneute Erklärung des Herrn Bundes-
ratsbevollmächtigten ist die beste Illustration für das, was heute gesagt
worden war über die Anmaßung militärischer Kreise, die nicht davor zu-
rückschrecken, zu versuchen, das Parlament zu terrorisieren. Hätte die Be-
merkung einen Sinn, so könnte es nur der sein, daß Herrn Häusler in
seiner Eigenschaft als Mitglied des Heeres ein Vorwurf gemacht werden
sollte. Der Sinn war, daß man in den Kreisen der Berufskollegen des
Herrn Häusler ihn niedriger stellen wollte. Das weisen wir mit Entrüstung