Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder ( April. 9.) 165
Dann, wenn wir nun einmal den Ausbau unseres Heereswesen als nationale
Notwendigkeit anerkannt haben, arbeiten wir doch nur an dem Ziele, das
unser aller Herz am höchsten steht, an der Sicherheit, Wohlfahrt und Größe
unseres gemeinsamen Vaterlandes. (Beifall.)
9. April. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Die verstärkte
Agrarkommission bewilligte einstimmig die in der Regierungsvorlage
angeforderten 12 Millionen Mark zur Urbarmachung fiskalischer
Moore und drei Millionen für Meliorationen auf Domänen.
9.- April. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Fortsetzung
der Beratung des Kultusetats: Dauernde Ausgaben für höhere
Lehranstalten für weibliche Schüler.
Kultusminister v. Trott zu Solz: Ueber unsere Mädchenschul-
reform ist von einer ganzen Reihe von Rednern ein sehr günstiges Urteil
abgegeben worden. Auch die Unterrichtsverwaltung kommt nach den hier
gemachten Beobachtungen zu dem Ergebnis, daß die in der Reform auf-
gestellten Grundsätze und Ziele richtig waren und daß man an denselben
festhalten muß. Die Unterrichtsverwaltung ist keineswegs gegen die Studien-
anstalten, aber andererseits ist sie auch für die Lyzeen und Oberlyzeen.
Daran wird sie festhalten, und wenn es richtig sein sollte, wie hier be-
hauptet worden ist, daß gegen die Lyzeen ein stiller Kampf geführt wird,
so wird die Unterrichtsverwaltung die Lyzeen in diesem Kampfe zu unter-
stützen haben. Ich halte an den Lyzeen fest und auch an dem sogenannten
vierten Weg, der von ihnen zur Universität führt. Ein anderer wunder
Punkt, der zu Schwierigkeiten Anlaß gegeben hat, ist die zweijährige prak-
tische Tätigkeit der jungen Damen. Es kommt in Frage, ob es nicht not-
wendig ist, analog den Einrichtungen an den Seminaren eine besondere
Einrichtung für die Beschäftigung der jungen Damen zu treffen. Dann ist
auch zu erwägen, ob man nicht die zweijährige praktische Tätigkeit in eine
einjährige umgestalten kann:; auch das unterliegt zurzeit der Prüfung. Unsere
Mädchenschulreform bezweckte, unserer heranwachsenden weiblichen Jugend
eine tiefere Bildung zu geben. Es ist gerade für unsere Mütter, die um
die Erziehung ihrer Kinder besorgt sind, von größter Bedeutung, daß sie
in der Lage sind, denselben eine angemessene Bildung angedeihen zu lassen.
Das war das Hauptziel jener Reform: das Bildungsniveau der weiblichen
Kreise der Bevölkerung zu heben. Gleichzeitig hatte die Reform im Auge,
unseren jungen Mädchen, die nicht ihrem eigentlichen Berufe als Ehegattin
und Mutter zugeführt werden, die Möglichkeit zu schaffen, aus eigener Kraft
sich Erwerb zu suchen, um sich eine selbständige Stellung im Leben zu ver-
schaffen. Wir haben wertvolle Kräfte an vielen Stellen des Staates und
der Kommunen, welche von Frauen wahrgenommen werden, manche Funk-
tionen werden sogar von Frauen besser als von Männern wahrgenommen.
Damit ist auch der Allgemeinheit gedient. Aber wir werden nicht unsere
Einrichtungen vornehmlich und ausschließlich mit der Tendenz ausbauen,
daß sie zum Universitätsstudium führen sollen. Besonders begabte und
geeignete Mädchen sollen die Möglichkeit haben, sich dem akademischen
Studium zu widmen, aber die Regel soll das nicht sein. Unsere weib-
liche Jugend soll nicht glauben, sie müsse ebenso wie die entsprechenden
Kreise der männlichen Jugend nun auch ihrerseits die Universität besuchen.
Das wollen wir nicht unterstützen. Das ist bisher der leitende Gedanke
1nserer Mädchenschulbildung gewesen und wird es auch in Zukunft bleiben.
( Beifall ! )