Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 10.) 169
500 Mark Wehrbeitrag bezahlen. Wenn er das Vermögen in vierprozentigen
Hypotheken an erster Stelle ausgeliehen hat, so ist es ihm heute, bei der
jetzigen Gestaltung unseres Hypothekenmarktes, möglich, wenigstens für die
Hälfte davon einen höheren Zinsfuß zu ertrotzen, der ihm in zwei oder
drei Jahren reichlich das einbringen würde, was ihm der Wehrbeitrag ab-
genommen hat. Dann ist es aber nicht er, der den Wehrbeitrag bezahlt
hat — er hat ihn nur ausgelegt —; bezahlen müssen ihn andere Leute,
bezahlen müssen ihn die Mieter in den Häusern, auf denen diese Hypotheken
lasten. Und, meine Herren, auch auf der anderen Seile: daß die Arbeiter,
auch wenn nichts anderes gefordert würde als nur der Wehrbeitrag, in
hoher Gefahr schweben, stark belastet werden durch die Heeresvermehrung
und durch diese Deckung, das ergibt sich — um nur eins noch zu bemerken
— auch daraus: zweifellos wird die in die Kaserne gezogene, aus der Volks-
wirtschaft herausgenommene Arbeitskraft der 130000 Mann durch slawische
Wanderarbeiter ersetzt werden. Ich sehe in diesen slawischen Wanderarbeitern
durchaus gleichberechtigte Menschen, aber das läßt doch nicht darüber hin-
wegblicken, daß diese außerordentlich starke Zufuhr von slawischen Arbeitern
mit ihrer sehr niedrigen Lebenshaltung eine dauernde Bedrohung des
Standards für unsere deutschen Arbeiter bedeutet.
Was die Fürsten anlangt, so muß man zunächst einem im Volke
verbreiteten Irrtum entgegentreten, als ob die Fürsten, weil sie in der
Vorlage nicht erwähnt sind, steuerfrei blieben. Umgekehrt wird ein Schuh
draus: weil sie nicht in der Vorlage erwähnt sind, deshalb sind sie steuer-
pflichtig! Denn diese Vorlage stellt sich durchaus auf den Standpunkt, den
wir auch bei der Reichswertzuwachssteuer bereits vertreten haben, daß es
keine Exemptionen der Fürsten von direkten Reichssteuern gibt, ebensowenig
wie eine solche von indirekten Reichssteuern, daß sie infolgedessen, weil sie
nicht ausdrücklich ausgenommen sind, ausdrücklich zu bezahlen haben. In-
folgedessen kann man es auch nicht gutheißen, was die Begründung sagt,
als ob es nun ein besonderes Gnadengeschenk, ein Jubiläumzgeschenk, ein
Jahrhundertgeschenk der Fürsten sei, daß sie nun auch mitsteuern wollen.
Ich möchte die Reichstagsmehrheit sehen, die bei einer solchen Vorlage die
Millionen der Vermögen der Fürsten freiließe.
Abg. Speck (Z.): Als wir im Jahre 1909 die Vorlage bekamen,
welche von der Volksvertretung die Bewilligung von rund 500 Millionen
neuer Steuern verlangte, da glaubte man im Reichstage, es sei damit ein
Rekord aufgestellt, der wohl nicht mehr zu übertreffen sein würde, und man
durfte annehmen, daß nun das Volk wenigstens auf einen längeren Zeit-
raum hinaus von neuen Steuerlasten befreit bleiben würde. Die jetzigen
Vorlagen zeigen aber leider, daß man sich in diesen beiden Punkten geirrt
hat. Kaum sind vier Jahre ins Land gegangen nach der Verabschiedung der
Reichsfinanzreform, noch ist das Erträgnis der im Jahre 1909 bewilligten
Steuern nicht durchweg im Beharrungszustand angelangt, und schon wieder
sehen wir uns in die harte Notwendigkeit versetzt, neue Steuervorlagen zu
verabschieden, die, was die Höhe der Summen anlangt, alles bis jetzt Da-
gewesene in den Schatten stellen. In der Begründung des Wehrbeitrags-
gesetzes ist gesagt: „Die zur Deckung der einmaligen Kosten der Wehrvorlage
notwendigen Mittel im Wege des Rredits zu beschaffen, würde den aner-
kannten Grundsätzen unserer Finanzgebarung nicht entsprochen haben.“ Es
ist aber doch wohl die Frage gestattet, ob man etwa glaubt, daß die Be-
schaffung dieser Mittel auf dem Wege des einmaligen Beitrags den aner-
kannten Grundsätzen unserer Finanzgebarung entspricht. Ich möchte diese
Frage unter allen Umständen verneinen. Es ist das erste Mal seit Bestehen
des Reichs, daß man diesen außergewöhnlichen Weg beschreitet, und daß