Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 10.) 171
es gerade dieser Umstand, der unseren Widerspruch gegen dieses Besitzsteuer-
gesetz herausfordert. Es wird ja — das gebe ich dem Herrn Reichsschatz-
sekretär zu — bei der Art, wie nach diesem Gesetz das Kindes- und Gatten-
erbe herangezogen werden soll, ein Teil der Bedenken in Wegfall kommen,
die wir früher gegen die Kindeserbschaftssteuer geltend gemacht haben. Aber
angesichts der schweren Belastung der Vermögen, der einmaligen Belastung,
die wir jetzt beschließen sollen, wäre es doch wahrhaftig eine Kumulation
von Belastung des Besitzes, wenn man nun zu diesem Wehrbeitrag gleich-
zeitig den Einzelstaaten auch noch die Kindeserbschaftssteuer aufoktroyieren
wollte. Ich kann diesen Gegenstand nicht verlassen ohne meiner Ueber-
raschung darüber Ausdruck zu geben, daß dieses Vermögenszuwachssteuer-
gesetz im Bundesrat eine Mehrheit gefunden hat, nachdem doch der preußische
Finanzminister sich erst vor kurzer Zeit in seiner Denkschrift zur Einkommen-
steuer so scharf gegen die Vermögenszuwachssteuer ausgesprochen hat und
doch wohl anzunehmen ist, daß auch in anderen Bundesstaaten erhebliche
Bedenken vom Standpunkt der Einzelstaaten aus gegen eine solche Steuer
bestehen. Wenn diese Bedenken aber prinzipielle sind, dann müßten sie
natürlich auch erhoben werden, wenn diese Steuer nur eventuell in einzelnen
Bundesstaaten eingeführt werden soll; denn es steht ja noch keineswegs fest,
ob es allen Bundesstaaten gelingt, rechtzeitig eine Deckung zu schaffen, die
der Prüfung im Bundesrat standhält und von diesem als „Besitzsteuer"
anerkannt wird. Zur Deckung der fortdauernden Ausgaben soll ferner die
Zuckersteuer noch weiter in ihrer jetzigen Höhe belassen werden. Ferner
soll der Zweidrittelsatz für den Grundstücksumsatzstempel noch bis zum
Jahre 1918 beibehalten werden. Was die Beibehaltung der Zuckersteuer
in ihrer jetzigen Höhe anlangt, so können wir diesem Vorschlag zustimmen.
Nach unserer festen Ueberzeugung würden von einer Ermäßigung der Zucker-
steuer nicht die Konsumenten etwas haben, sondern die 40 Millionen, die
jetzt in die Reichskasse fließen, würden einfach in anderen Taschen ver-
schwinden, ohne daß der Zuckerpreis auch nur um einen Pfennig billiger
werden würde. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß die Aufhebung in-
direkter Steuern nicht immer, ja sogar nur in den seltensten Fällen preis-
ermäßigend wirkt, und diese Erfahrung würde bei einer Herabsetzung der
Zuckersteuer neuerdings bestätigt werden. Der Konsument würde also von
der Ermäßigung der Steuer überhaupt nichts haben, und die Interessen
des Konsumenten sind bei der Besprechung dieser Frage für uns immer
allein ausschlaggebend gewesen. Wenn wir nun auch diesem Vorschlage
zustimmen können, so haben wir die schwersten Bedenken gegen das Weiter-
bestehen des Grundstücksumsatzstempels in seiner jetzigen Höhe, in
der doppelten Höhe des normalen Betrags. Dieser Grundstücksumsatzstempel
soll nicht, wie im § 69 des Reichszuwachssteuergesetzes von 1911 vorgesehen
ist, am 1. Juli 1914 ermäßigt werden, sondern erst am 1. April 1918.
Ich schicke voraus, die Forderung auf Ermäßigung des Grundstücksumsatz-
stempels ist keine agrarische Forderung, wie man es vielfach hinstellt, sondern
sie ist eine Forderung der Gerechtigkeit, die auch für den städtischen Grund-
und Hausbesitz von größter Bedeutung ist. Wir haben ja schon ein In-
testaterbrecht des Staates durch § 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Bei uns in Bayern hat dieses Intestaterbrecht allein den Besitz ganz kleiner
Leute getroffen. Die bayerische Statistik ergibt, daß es jährlich vielleicht 15 bis
20 Fälle sind, in denen dieses Erbrecht überhaupt eintritt. Sie betreffen
aber ausschließlich Leute, die höchstens einige hundert Mark hinterlassen.
Daß einmal eine Erbschaft von mehreren Tausend Mark an den Staat
gefallen sei, ist nicht zu konstatieren; von Millionen ist überhaupt gar keine
Rede. Es waren ausschließlich Fälle, in denen Dienstboten, kleine Hand-