190 Hes Beeusche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 14.)
Lage, durch diese davon Kenntnis zu bekommen, wie in einzelnen Ländern
gerüstet werde. Es ist im Anschluß daran besprochen worden die Frage
der gemeinsamen Note der Mächte, die vor dem Sturz des Kabinetts
Kiamil überreicht worden ist, durch welche der Türkei zum Verzicht auf
Adrianopel und damit zum Frieden geraten wurde. Es ist uns hier seitens
des Herrn Staatssekretärs die Erklärung wiederholt worden, daß man bei
dieser Kollektivnote und bei der Beteiligung Deutschlands davon ausgegangen
sei, nach den Mißerfolgen der Türkei für diese das Mögliche zu sichern
und zu retten. Dies sei insbesondere das Motiv der deutschen Politik ge-
wesen. Es wurde weiter die Frage des Schutzes der Türkei besprochen.
Der Staatssekretär führte aus: „Deutschland habe leider nicht das Recht
und die Macht gehabt, die Uebergriffe zu verhindern, die im Gebiet der
kriegerischen Operationen, d. h. auf türkischem Boden, gegen die einheimische
Bevölkerung vorgekommen sind. Es sind hierüber zwar übertriebenc Schilde-
rungen in die Presse gekommen, doch scheine das, was sich wirklich ereignet
hat, beklagenswert genug. Eine Nachprüfung im einzelnen war selhbst-
verständlich nicht möglich. Es sind aber alle zur Kenntnis gekommenen
Vorfälle bei den Regierungen der Balkanstaaten zur Sprache gebracht, und
es sei nach Kräften auf Abstellung des Unwesens hingewirkt worden. Zu
entsprechenden Schritten seien auch die anderen Mächte, besonders England,
veranlaßt worden.“ Was den Friedensschluß anlangt, so wurde uns
mitgeteilt, daß die Grenze Midia—Enos auf Anregung Rußlands zur mög-
lichst raschen Beendigung der Feindseligkeiten von den Mächten den Krieg-
führenden vorgeschlagen sei, und daß diese Abgrenzungslinie des künftigen
türkischen Gebiets auch von der Türkei akzeptiert sei; dagegen stehe die
Aeußerung der Balkanstaaten noch aus. Der Herr Staatssekretär wird wohl
heute in der Lage sein, uns über den heutigen Stand dieser Verhandlungen
weitere Mitteilungen zu machen. Die Frage der „Aegäischen Inseln“
wurde von dem Herrn Staatssekretär dahin beantwortet, daß man bemüht
sei, die Interessen der Türkei zu wahren und die Frage in einer Weise zu
lösen, daß der asiatische Besitzstand der Türkei nicht gefährdet werde. So-
dann wurde uns die Mitteilung, daß — was ja den Herren bereits be-
kannt ist — Skutari zu Albanien geschlagen wird, nachdem man über
die Zuweisung von Ipek, Prizrend und Djakowa an die Balkanverbündeten
eine Einigung erzielt habe. Eingehend wurde die Frage der Kom-
pensation erörtert, die von Rumänien verlangt wird. Hier wurde
uns von den verbündeten Regierungen erklärt, daß Deutschlands Politik be-
müht gewesen sei, den berechtigten Ansprüchen von Rumänien gerecht zu
werden, aus allgemein politischen Erwägungen, aber auch mit Rücksicht auf
das freundschaftliche Verhältnis, das seit Jahrzehnten zwischen Deutschland
und Rumänien bestehe, und das Verständnis, welches deutsche Interessen
dort gesunden hätten. Wir treten für Rumänien ein, um ihm Aequivalente
für die Aenderung der Verhältnisse auf dem Balkan zu sichern, die für
Rumänien nicht günstig sind. Es wurden dann allgemeine Fragen be-
sprochen: die Bündnistreue Deutschlands gegenüber Oesterreich. Wieder-
holt wurde auch in der Kommission, daß Deutschland stets hinter Oesterreich
gestanden habe, und daß man insbesondere in dem Augenblicke, da Oester-
reich die Unterstützung Deutschlands bei der Flottendemonstration gegen
Montenegro erbeten habe, sofort bereit gewesen sei, diese Unterstützung zu
gewähren. Auch wurde betont, daß Italien während der ganzen Rrise treu
zu den beiden anderen Dreibundstaaten gestanden habe. Es wurde dann
die Frage nach den Gläubigerinteressen und den wirtschaftlichen Interessen
der deutschen Untertanen erörtert. Hier wurde uns mitgeteilt, daß über
diese Fragen in Paris unter Zuziehung von Sachverständigen, hervorragen-