Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das NVeische Reich und seine einzelnen Glieder. (April 14.) 197 
behörde in Mnnanfu in der Provinz Yünnan, wo wir noch nicht kon- 
fularisch vertreten sind. Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung 
unserer Interessen in China ist auch die Förderung unseres Schulwesens. 
Wxunterstützen zurzeit sieben deutsch-chinesische Sprachschulen, ferner eine 
Medizinschule und eine technische Schule in Schanghai. Der Herr Bericht- 
erstatter hat auf eine Zeitungsnotiz Bezug genommen, nach welcher unsere 
deutschen Schulen vor einer Krisis ständen. Ich kann diese Nachricht wider- 
legen. Bon einer Krisis, von unzulänglicher Bezahlung kann nicht die Rede 
sein. Die für den Schuldienst in den deutsch-chinesischen Schulen bestimmten 
Volksschullehrer — und nur diese können in Frage kommen — erhalten. 
folgende Remunerationen und Beiträge: während der Vorbereitung im 
hiesigen orientalischen Seminar monatlich 200 Mark, während der ersten 
vierjahrigen Vertragsperiode jährlich 6000 bis 7000 Mark, und falls sie 
noch weitere vier Jahre in China bleiben, jährlich 7000 bis 9000 Mark. 
Diese Beträge, meine Herren, entsprechen den in Tsingtau gewährten Be- 
zahlungen, und von fünfzehn nach China gesandten Lehrern haben nur zwei 
erklärt, daß ihnen die Bezüge nicht genügten, und daß sie nach Ablauf der 
vierjährigen Periode zurückkehren wollten. Aber im allgemeinen will ich 
vollständig zugeben, daß die für unsere Schulen bewilligten und vorhandenen 
Gelder nicht ausreichen, und ich begrüße daher mit besonderer Genugtuung 
nicht nur in bezug auf China, sondern auch auf andere Länder, daß uns 
der Schulfonds erhöht werden soll. Ich hoffe, daß der nächste Etat dem 
Rechnung tragen kann. Wir sind in China darin etwas im Rückstand 
hinter anderen Ländern, weil diese früher angefangen haben und mehr 
Mittel dazu verwandt haben. England, Frankreich und Amerika verwenden 
bedeutend größere Mittel dafür. 
Abg. Dr. Heckscher (Fortschr. Vp.): Der Herr Staatssekretär zählte 
eine Reihe von Etatstiteln auf, in denen das Auswärtige Amt deutsche 
Schulen, deutsche Unternehmungen technischer und wissenschaftlicher Art 
unterstützt. Ich will dieser nicht sehr beweiskräftigen Aufzählung die eine 
Feststellung nochmals entgegenhalten, daß in China 1445 englische Volks- 
schulen bestehen, 1992 amerikanische und nur 164 deutsche. Ebenso un- 
günstig ist das Verhältnis der deutschen zu den amerikanischen und englischen 
Mutel= und Hochschulen. Hier haben Sie 241 englische, 286 amerikanische 
und nur 15 deutsche. Wir leiden, glaube ich, unter einer Schwierigkeit 
organisatorischer Natur. Wir haben in Kiautschou eine mustergültige Ver- 
waltung geschaffen, eine Verwaltung, die die Bewunderung nicht nur der 
deutschen, sondern auch der ausländischen Reisenden erregt. Was uns aber 
dringend nottut, das ist eine einheitliche Leitung der chinesischen Dinge. 
Heute ist gleichsam das eine Einfallstor deutscher Kultur und deutscher 
wirtschaftlicher Kraft Kiautschou, ein anderes das Generalkonsulat von 
Schanghai und ein drittes Peking. Ich hoffe, daß das Auswärtige Amt 
und vor allen Dingen der Reichskanzler gemeinsam mit der Verwaltung 
von Kiautschou sich ernstlich bemühe, den Weg zu finden, der es ermöglicht, 
die gesamte deutsche Pionierarbeit in China einheitlich von der Reichsregie- 
rung aus zu beeinflussen. 
Unterstaatssekretär Zimmermann: Der Herr Abgeordnete hat zu- 
nächst beklagt, daß unsere Schulpropaganda in China viel zu wünschen 
übrig läßt, daß Deutschland gegenüber anderen Mächten, namentlich gegen 
England, Frankreich und Amerika, in dieser Hinsicht zurücksteht. Ich be- 
klage mit ihm diese Tatsache. Es ist aber nicht zu verkennen, daß die ge- 
nannten Mächte jahrzehntelang dort vor uns mit ihrer Tätigkeit eingesetzt 
haben, daß unser deutscher Kaufmann erst erheblich später als der englische 
nach China gekommen ist und dort überall die englischen Firmen vorgefunden
	        
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