Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Denitshe Reiqh und seine einelnen Glieder. (April 14. 16.) 199 
ob es nicht besser wäre, nachdem man die Entwicklung der letzten 26 Jahre 
durchgemacht hat, das Orientalische Seminar von Preußen ganz wegzunehmen 
und eine unter Reichsaufsicht stehende deutsche Auslandsakademie oder besser 
„Auslandshochschule“" zu errichten. Dafür lassen sich heute eine ganze Reihe 
von Gründen anführen, die man bei der Schaffung des Orientalischen 
Seminars noch gar nicht ins Feld führen konnte. Uebrigens ist der Name 
Orientalisches Seminar sowohl in seinem Beiwort wie in seinem Haupt- 
wort falsch. Es ist kein Seminar wie die anderen Seminare an den Uni- 
versitäten, sondern die Voraussetzungen für die Zulassung an dem Seminare 
sind ganz andere als für die Zulassung an den anderen Seminaren. Es 
sind auch die Professoren, die Dozenten und Lektoren deswegen ganz anders 
gestellt als die Professoren an den Universitäten. Es ist aber auch kein 
orientalisches Seminar, denn es werden nicht nur orientalische Sprachen, 
sondern fast alle Sprachen der Welt dort gelehrt. Ich wünsche, daß dieses 
Orientalische Seminar zu einer selbständigen unter Reichsaufsicht stehenden 
Auslandshochschule umgestaltet wird. 
14. April. (Stellingen bei Hamburg.) Der Reformator 
der Dreffur wilder Tiere Karl Hagenbeck f. 69 Jahre alt. 
16. April. (Reichstag.) Fortsetzung der zweiten Lesung des 
Etats des Auswärtigen Amtes und des Reichskanzlers. (Auslands- 
schulen. Jesuitenfrage. Kaiserreden.) 
Die Resolution betreffend den Ausbau des orientalischen Se- 
minars zu einer deutschen Auslandshochschule wird angenommen. — Abg. 
Kuckhoff (Z.) begründet die Resolution der Kommission betreffend Vorlegung 
einer Denkschrift über die deutschen Schulen im Auslande. Der 
Reichstag muß im einzelnen wissen, wofür das Geld ausgegeben wird. Redner 
schildert eingehend die Bedeutung der Auslandsschulen für das Deutschtum 
der Höheren und Niederen und beschwert sich, daß die Vereinsschulen mehr 
unterstützt würden als die katholischen Ordensschulen. Es werden mitunter 
Unterstützungen direkt davon abhängig gemacht, daß die Schule als Simultan- 
schule eingerichtet werde. Wenn wir Weltpolitik treiben, so müssen wir auch 
die Ausbreitung der deutschen Schulen in großzügiger Weise betreiben. Die 
Resolution wird angenommen. 
Abg. Gradnauer (Sd.): Neuerdings sieht es so aus, als ob die 
Regierung auch in der Jesuitenfrage eine Schwenkung vorzunehmen ge- 
denke. Es scheint, daß ein Handelsgeschäft zwischen dem Reichskanzler und 
dem Abg. Spahn im Gange ist, daß die Regierung eine mildere Auslegung 
des Jesuitengesetzes zulassen will, um das Zentrum für die Militärvorlage 
u gewinnen. Wir vermissen immer noch die Herabsetzung der Altersgrenze 
fur die Invalidenrente. Warum wird nicht auch eine Milliarde für Kultur- 
zwecke erhoben? Man braucht doch nur den Wehrbeitrag zu verdoppeln? 
Wie steht es mit der Sicherung des Koalitionsrechts und der Arbeitslosen- 
versicherung? Ein Vereins= und Versammlungsrecht der Jugend gibt es 
nicht. Ueber die Magdeburger Affäre, obwohl sie das Verhältnis Deutsch- 
lands und Frankreichs beeinflußt, hat der Staatssekretär kein Wort gesagt. 
Das Verhalten der braunschweigischen Polizeibehörde ist geradezu eine 
Schande. (Vizepräsident Paasche ruft den Redner zur Ordnung.) Die 
Sache ist um so schlimmer, als der französische Delegierte zugleich ein Mann 
der Wissenschaft und Bürgermeister einer französischen Gemeinde ist. Man 
hat überhaupt verhindern wollen, daß er auf dem Bahnhofe in Braunschweig 
etwas zu sich nehme, und man hat ihn im Wartesaal festgehalten und ihm 
nicht die Wahl des Zuges zur Abreise gelassen und ihn behindert, die
	        
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