Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Denisqhe Reith und seine einzelnen Glieder. (April 23.) 213 
Abg. Ledebour (Sd.): Wir haben Ihnen einen Antrag unterbreitet, 
der allerdings auch die Einsetzung einer Kommission verlangt, aber einer 
anders zusammengesetzten Kommission, als gestern in der Budgetkommission 
beschlossen wurde, und dann dieser Kommission weitergehende Rechte geben 
will. Ich bemerke gleich von vornherein, daß wir getrennte Abstimmung 
über die beiden Absätze des Antrags beantragen werden. Zunächst halten 
wir es für notwendig, daß eine rein parlamentarische Untersuchungskom- 
mission eingesetzt wird. Wir haben es für richtig gehalten, einen Antrag 
hier im Plenum einzubringen, daß der Herr Reichskanzler ersucht werden 
soll, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den der genannten 
Kommission diejenigen Rechte eingeräumt werden, die den ordentlichen Ge- 
richten für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie für 
die Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme zustehen. Wir sind 
der Ueberzeugung, daß nur auf diese Weise das erreicht werden kann, was 
alle Herren hier im Hause wünschen, nämlich eine gründliche Erforschung 
all der üblen Machenschaften und Einflüsse von Interessenten. Ich mache 
Sie darauf aufmerksam: Sie stehen hier einem Interessentenkonzern von Mil- 
lionären gegenüber, die durch ihre Beziehungen eine so kolossale Macht in 
Staat und Gesellschaft haben, daß man irgend etwas Ernstliches nur er- 
reichen kann, wenn man der Kommission die Befugnisse erteilt, die wir ver- 
langen. Sollten Sie sich nicht dazu bereit finden lassen, unsern Antrag 
anzunehmen, wie ich hoffe und wünsche, dann werden wir noch einen Eventual- 
antrag zu dem Kommissionsantrag stellen, über den sich einer meiner Partei- 
genossen noch verbreiten wird. Aber prima facie bitte ich, daß Sie unserem 
Antrag die Zustimmung geben. Sie müssen das tun, wenn Sie Ihre Auf- 
fassung wahr machen wollen, daß hier eine große Gefahr für Staat und 
Gesellschaft besteht, die aufgedeckt werden muß. Da müssen Sie den Leuten, 
die mit der Aufdeckung dieser Gefahr betraut werden, die vollen Macht- 
mittel in die Hand geben, mit denen man allein diesen Zweck erreichen kann, 
den Sie Ihrer Behauptung nach alle, meine Herren, im Auge haben. 
Vizepräsident Dove: Es sind mir inzwischen zwei handschriftliche 
Anträge von den Herren Abgeordneten Albrecht und Genossen zu der Re- 
solution der Budgetkommission zugegangen: „Der Reichstag wolle be- 
schließen: für den Fall der Annahme des Antrags Nr. 945: 1. hinter dem 
ersten Satz einzufügen: Die Kommission muß zu zwei Dritteln aus 
Reichstagsmitgliedern bestehen; 2. vor dem letzten Satz einzufügen: Die 
Reichstagsmitglieder sind nach den für Beratungskommissionen maßgeben- 
den Grundsätzen auf die Fraktionen zu verteilen.“ 
Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück: Ich darf wohl annehmen, 
daß die soeben besprochene Resolution der Herren Albrecht und Genossen in 
diesem Hause nicht zur Annahme gelangt, sondern daß die Resolution der 
Budgetkommission Ihre Zustimmung findet. Aber ich halte es doch für not- 
wendig, zu der Resolution Albrecht und Genossen einige kurze Bemerkungen zu 
machen. Diese Resolution beabsichtigt, eine parlamentarische Kom- 
mission zur Untersuchung und Feststellung tatsächlicher Ver- 
hältnisse niederzusetzen. Die Niedersetzung einer solchen Kommission 
würde in der Verfassung des Deutschen Reichs ihre Grundlage nicht finden. 
Eine Bestimmung, wie sie im Art. 82 der preußischen Verfassungsurkunde 
enthalten ist, besteht für das Deutsche Reich nicht; ein Antrag, der im 
Reichstage des Norddeutschen Bundes im Jahre 1868 eingebracht wurde 
und dahin ging, daß man dem Reichstag nachträglich durch eine Abände- 
rung der Verfassung diese Befugnis beilegen möchte, ist vom Reichstag ab- 
gelehnt worden. Hiernach kann kein Zweifel bestehen, daß für die Ein- 
setzung einer solchen Untersuchungskommission nach dem Antrag Albrecht
	        
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