Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

214 Das Betsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 23.) 
und Genossen eine verfassungsmäßige Grundlage im Deutschen Reich nicht 
besteht. (Sehr richtig! r.) Was insbesondere den zweiten Teil des Antrags 
Albrecht betrifft, so wünscht er dieser Kommission zur Prüfung der Rüstungs- 
lieferungen das Recht der Zeugenvernehmung in dem Umfange beizulegen, 
wie es den Gerichten zusteht. Er wünscht zu diesem Zwecke die Einbringung 
eines Gesetzes durch die verbündeten Regierungen. Ich kann einen der- 
artigen Gesetzentwurf nicht in Aussicht stellen; denn auch ein derartiger 
Gesetzentwurf würde den verfassungsmäßigen Grundlagen widersprechen, auf 
denen das Deutsche Reich aufgebaut ist. Die eidliche Vernehmung von 
Zeugen und Sachverständigen ist nicht Sache parlamentarischer Körper- 
schaften, sondern Sache der Exekutive bezw. der Gerichte. Die Exekutive 
steht in Deutschland nicht den Parlamenten, sondern den Regierungen zu. 
Der Deutsche Reichstag hat eine Befugnis, in die Exekutive einzugreifen, 
um so weniger, als das Deutsche Reich ein Bundesstaat ist, in dem die 
Exekutive im wesentlichen bei den Einzelstaaten liegt. Ich würde also einem 
Beschlusse, eine Untersuchungskommission nach Maßgabe der Resolution 
Albrecht und Genossen niederzusetzen, als verfassungswidrig widersprechen 
müssen und kann einen Gesetzentwurf, der den Wünschen unter Nr. 2 dieser 
Resolution entspricht, nicht in Aussicht stellen. 
Anders steht der Herr Reichskanzler zu der Resolution der Budget- 
kommission. Auch bezüglich dieser Resolution besteht allerdings auf seiten 
des Herrn Reichskanzlers das Bedenken, daß der Reichstag an der Zusammen- 
setzung dieser Kommission sich beteiligt, indem er einen Teil der Mitglieder 
wählen soll. Es handelt sich auch hier um einen Akt der Exekutive; denn die 
Niedersetzung, die Einberufung und die Information, die Aufstellung des 
Programms für diese Kommission ist ebenfalls nach Lage unserer Verfassung 
Sache des Reichskanzlers. Auf der anderen Seite steht der Herr Reichs- 
kanzler auf dem Standpunkt, daß es nur erwünscht sein kann, über die 
Fragen der Versorgung unseres Heeres mit Waffen und Kriegsmaterial 
und die dabei in Zukunft etwa zweckmäßig einzuschlagenden Maßnahmen 
in weitem Umfange Sachverständige zu hören. Er ist auch gern bereit, sich 
dabei der Sachkunde von Mitgliedern dieses Hauses zu bedienen. Ich habe 
infolgedessen zu der Resolution, wie sie die Budgetkommission vorgeschlagen 
hat, im Namen des Herrn Reichskanzlers folgendes zu erklären: „In der 
Resolution betreffend die Bildung einer Kommission zur Prüfung der 
Rüstungslieferungen ist vorgeschlagen, daß der Reichstag Mitglieder in diese 
Kommission wählen soll. Hiergegen bestehen Bedenken grundsätzlicher Art. 
Dagegen ist der Herr Reichskanzler bereit, dem Wunsch des Reichstags 
dahin stattzugeben, daß er alsbald eine Kommission bilden wird, die aus 
Vertretern der beteiligten Ressorts und aus geeigneten Sachverständigen be- 
steht. In diese Kommission wird eine entsprechende Zahl von Mitgliedern 
dieses hohen Hauses berufen werden, wobei die Wünsche der Parteien Be- 
rücksichtigung finden sollen.“" 
Abg. Graf v. Westarp (K.): Meine politischen Freunde werden nicht 
für die gestellten Anträge stimmen, auch nicht für die Resolution der Budget- 
kommission. Ich darf noch erklären, daß ich meine Ausführungen gleich- 
zeitig auch im Auftrage der Herren von der Reichspartei gemacht habe. 
Abg. Erzberger (3Z.): Ich habe absichtlich den Antrag, den ich 
jetzt der Rommission unterbreitet habe, wörtlich ohne jede Aenderung — ich 
lege Wert auf diese Konstatierung — der Kommission vorgeschlagen, weil im 
Jahre 1905 ein solcher Antrag ohne jeden Widerspruch seitens des Bundes- 
rats geblieben ist, weil sogar der damalige Vertreter des Kolonialamts 
diesen Antrag frendig begrüßt hat als ein Mittel, um aus der viel- 
verschlungenen Konzessionsfrage irgendwie herauszukommen. Der damalige
	        
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