Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

222 Bas Vensche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 29.) 
gelingen wird. Die Künstlerschaft hat sich entschlossen, die diesjährige Kunst- 
ausstellung zu einer Jubiläumsausstellung zu gestalten. Neben anderen 
Maßnahmen wandte sich die Kommission auch an einige bekannte Künstler, 
darunter auch Anton v. Werner, mit dem Ersuchen, sich durch Ausstellung 
ihrer Bilder zu beteiligen. Herr v. Werner entsprach diesem Verlangen 
dadurch, daß er eine Liste einer Reihe von seinen Werken vorlegte und die 
Auswahl dem freien Ermessen der Kommission anheimstellte. Werner fügte 
jedoch hinzu, daß es rätlich sei, dazu die Zustimmung an maßgebender 
Stelle einzuholen, damit geprüft werde, ob etwa der Ausstellung der Schlachten- 
bilder aus dem deutsch-französischen Kriege politische Bedenken entgegen- 
stünden. Die Ausstellungskommission legte mir die Pläne zu der von ihr 
geplanten Ausstellung vor und trug mir auch den Wunsch des Herrn 
v. Werner vor. Ich muß nun gestehen, daß ich von selbst nicht auf den 
Gedanken gekommen wäre, daß bei einer solchen Gelegenheit die politische 
Frage aufgeworfen werden könne. Es handelte sich doch hier um eine 
Kunstausstellung in Berlin und nicht in Paris. (Beifall.) Ich war der 
Meinung, daß hierbei von politischen Bedenken keine Rede sein könne, und 
ich habe deshalb auch die Frage dem Auswärtigen Amt gar nicht vor- 
gelegt. Der Vollständigkeit halber will ich jedoch hinzufügen, daß ein Herr 
meines Ministeriums gelegentlich einem Herrn des Auswärtigen Amtes 
gegenüber davon gesprochen hat. Auch dieser war der Meinung, daß das 
Auswärtige Amt sich nicht damit zu befassen habe. Das bestärkte mich noch 
in meiner Auffassung. Der Künstler hatte also eine Liste von seinen Werken 
zur freien Wahl überlassen. Es waren darauf 23 Bilder und es war auch 
auf ein Bild hingewiesen worden, das vielleicht in Betracht kommen könnte, 
so daß im ganzen 24 in Frage kamen. Zurückgestellt wurde das bekannte 
harmlose Bild „Kriegsgefangen"“ und „Kapitulationsverhandlungen vor 
Sedan“. Dagegen hatte man eine Anzahl anderer Bilder ausgewählt, 
darunter „Der Kronprinz an der Leiche Abel Douays“; auch das Bild, 
auf dem der Brief Napoleons an König Wilhelm überreicht wird, war 
dabei, ferner „Napoleons Zusammentreffen mit Bismarck auf der Chaussee", 
dann „Moltke vor Paris“, das Velarium „Krieg und Sieg“ und der Fries 
um das Siegesdenkmal. Das zeigt doch, daß politische Rücksichten bei der 
Auswahl nicht maßgebend gewesen sind. Wäre das der Fall, dann hätte 
man auch diese Bilder zurückweisen müssen. Dann hätten vielleicht andere 
Bilder ausgeschieden werden können und das wäre sicher geschehen, wenn 
es bekannt gewesen wäre, daß der Künstler auf die Ausstellung der zurück- 
gestellten Bilder Wert gelegt hätte. Das ist nicht der Fall gewesen. Herr 
Anton v. Werner hat die Bilder zur freien Auswahl gestellt. Damit stehen 
die Behauptungen der Presse in Widerspruch, daß ohne diese beiden Bilder 
die Ausstellung nicht möglich gewesen wäre. An Stelle des Bildes „Kriegs- 
gefangen“ ist eben das 24. Bild getreten. Bei der Auswahl spielte auch 
die Raumfrage eine Rolle. Ich teilte Herrn v. Werner die Entschließung 
der Ausstellungskommission zugleich mit ihrer Zustimmung zu den übrigen 
geplanten Maßnahmen mit. Anton v. Werner hat sich dann an die Kom- 
mission gewandt und diese wurde bei mir vorstellig. Das geschah am 
2. Dezember vorigen Jahres. Dieses Datum ist von einer gewissen Be- 
deutung für die Beurteilung der ganzen Lage. Als ich nun am 10. Januar 
erfuhr, daß Herr v. Werner seinen Entschluß geändert habe und sich nicht 
mehr beteiligen wolle, bedauerte ich es. Es schien mir erwünscht, daß gerade 
auf einer solchen Ausstellung Wernersche Bilder nicht fehlten. Ich sandte 
deshalb einen Herrn aus meinem Ministerium zu dem Künstler, um ihn 
zu veranlassen, ob er sich nicht doch noch an der Ausstellung beteiligen wolle. 
Das allein war der Zweck des Besuches meines Vertreters. Nicht jetzt erst
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.