254 Das Dentsqhe Neich und seine einzelnen Glieder. Juni 13. 14.)
13. Juni. Vorfeier des Regierungsjubiläums des Kaisers.
500 blumengeschmückte Kraftwagen des Kaiserlichen Automobilklubs,
des Hannoverschen Automobilklubs und des Freiwilligen Automobilkorps
huldigen dem Kaiserpaar an der Havelbrücke bei Pichelswerder. Das Kartell
für Reit= und Fahrsport hält vor den Majestäten am Stadion ein Reit-
und Fahrturnier.
14. Juni. (Reichstag.) Vertagung wegen des Kaiserjubiläums.
Präsident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 20 Min.
mit folgender Ansprache, welche die Mitglieder des Reichstags und des
Bundesrats stehend anhören: Meine Herren, nur eine kurze Spanne Zeit
noch trennt uns von dem Tage, an dem wir das 25jährige Regierungs-
jubiläum Seiner Majestät des Kaisers feierlich und festlich begehen. Weh-
mütig steigt die Erinnerung an das Lebensende des kaiserlichen Gründers.
des Deutschen Reiches, des ersten Kaisers aus dem Hohenzollernhause, vor
unserem Geiste auf. Wehmütig gedenken wir des edlen Dulders auf dem
Kaiserthrone und seines tragischen Schicksals, des Kaisers Friedrich III.
Mit Stolz und Freude aber erfüllt uns der Gedanke an die jugendfrische
Gestalt unseres Kaisers, wie er im Vollbewußtsein seiner Jugendkraft und
mit der Begeisterung seines idealen Strebens vor 25 Jahren die Regierung
übernahm. Der Kaiser kannte die Bedenken, die seine militärischen Nei-
gungen erwecken konnten. Er wisse wohl, das hat er selbst ausgesprochen,
daß ihm nach Ruhm lüsterne Kriegsgedanken zugeschrieben würden. Er
weise, so hat er hinzugefügt, solche Anschuldigung mit Entrüstung zurück.
Jene Bedenken haben sich als gänzlich grundlos erwiesen. Er, der das
mächtigste Kriegsinstrument in seiner Hand hält, hat es benutzt, nicht um
kriegerische Lorbeeren zu pflücken, sondern um uns und der Welt den
Frieden zu bewahren. Wir leben in einer ernsten Zeit, aber wir haben
das felsenfeste Vertrauen, daß der Kaiser das sein wird, was er war und
was er ist: der Friedensfürst, der das Kriegsschwert nur ziehen würde,
wenn es gälte, Lebensbedingungen des deutschen Volkes zu verteidigen.
(Beifall.) Noch nach einer anderen Richtung danken wir dem Kaiser. Er
hat einst als den Urgrund, auf dem das Deutsche Reich errichtet ist, alle
jene hohen sittlichen Anschauungen bezeichnet, die unseren Vorfahren eigen
waren. Er hat mahnend gerufsen, das Gefühl für den kategorischen Im-
perativ der Pflicht möge im deutschen Volke niemals ersterben. Als eine
Verkörperung der damals ausgesprochenen Grundsätze steht der Kaiser heute
vor uns. Er hat in seinem Wirken als Kaiser wie in seinem Familien-
leben das zur Tat gemacht. Rürzlich hat der Raiser bei der Vermählung
seiner Tochter Worte gesprochen, die in ihrem hohen sittlichen Ernste, wie
in ihren echten aus warmem Herzen kommenden Gefühlen das Gepräge
tieisten Empfindens zeigten und in allen RKreisen des Volkes rein mensch-
liche Verehrung auslösten. (Beifall.) Bei der gleichen Gelegenheit aber
hat der Kaiser ein Wort geprägt, das in epigrammatischer Kürze zeigt,
wie er seine fürstlichen Pflichten auffaßt: Anderen zu dienen und für andere
zu sorgen, hat er als vornehmste Aufgabe eines Fürsten bezeichnet. (Bei-
fall.; Meine Herren, wer in feierlicher Stunde seinem Kinde solche Worte
für das Leben mitgibt, kann nicht nur Anspruch erheben auf die Achtung,
die jeder deutsche Bürger seinem Kaiser schuldet und entgegenbringt: er er-
weckt darüber hinaus im ganzen Volke ein herzliches Gefühl der Verehrung
und der Liebe. Beifall.) Sie aber, meine Herren, fordere ich auf, an
dem Tage, an dem wir hier im Reichstag das 25jährige Regierungs-
jubiläum Sr. Masestät des Raisers feiern, den Gefühlen, die uns alle be-
seelen, und den Bünschen, die wir für eine lange, glückliche und segens-