Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

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20. Juni. Dankerlaß des Kaisers im Rückblick auf sein Re— 
gierungsjubiläum: 
„In dem an ernsten und frohen vaterländischen Gedenktagen so 
reichen Jahre ist Mir ein besonders glücklicher Tag beschieden gewesen: 
der Tag, an welchem Ich vor 25 Jahren auf den Thron Meiner Väter 
berufen wurde. In Gesundheit habe Ich ihn mit Ihrer Majestät der 
Kaiserin und Königin, Meiner Gemahlin, im Kreise unserer Kinder und 
Kindeskinder freudig begehen können. Ich danke Gott, daß Ich mit Be- 
friedigung zurückblicken darf auf die vergangenen 25 Jahre ernsten Schaffens, 
auf die großen Errungenschaften, welche sie dem Vaterlande auf allen Ge- 
bieten des geistigen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens gebracht haben, 
auf die beispiellose Zunahme an Volkskraft und Nationalvermögen. Das 
auf dem Fundament der Einigkeit der deutschen Stämme und ihrer Fürsten 
von Kaiser Wilhelm dem Großen errichtete Deutsche Haus ist nach innen 
und außen weiter ausgebaut zu einem geschützten und freundlichen Aufent- 
halt für seine Bewohner. Daß dies unter den befruchtenden Strahlen der 
Friedenssonne geschehen ist, deren Kraft jedes am Horizont auftauchende 
Gewölk siegreich zerstreute, macht Mich besonders glücklich. Ein Herzens- 
wunsch ist Mir damit in Erfüllung gegangen. In reicher Fülle ist Mir an 
Meinem Ehrentage Liebe und treue Anhänglichkeit von allen Seiten ent- 
gegengebracht worden. Die Erlauchten Deutschen Fürsten und die Freien 
Städte haben es sich nicht nehmen lassen, ihre Mich beglückende Freund- 
schaft und die Festigkeit des Bandes Deutscher Einheit durch persönliche 
Ueberbringung freundlicher Glückwünsche von neuem zu betätigen. Das 
Deutsche Bolk hat Mir durch Abordnungen und Tausende von Zuschriften, 
Telegrammen und künstlerischen Adressen aus allen Gauen des Vaterlandes, 
aus den Kolonien und aus allen Teilen des Erdballs treue Glückwünsche 
kundgegeben. In Stadt und Land ist der Tag mit freudiger Teilnahme 
festlich begangen worden. In festlichen Veranstaltungen der Parlamente, 
Behörden und Vereine wie in freundlichen Festartikeln der Tagespresse ist 
eine patriotische Gesinnung von außergewöhnlicher Stärke zutage getreten. 
Aber nicht auf Glückwünsche und Festreden allein haben sich die Mir ge- 
widmeten Ausmerksamkeiten und Ehrungen beschränkt. Wenn Festesfreude 
mit dem Herzen empfunden wird, drängt sie zur Betätigung durch Dank- 
opfer. Provinzen, Kreise, Städte, Gemeinden und Vereine haben trotz hoher 
Anforderungen an ihre Opferwilligkeit sich gedrungen gefühlt, zahlreiche mit 
Meinem Namen verbundene Stiftungen zu errichten, dazu bestimmt, die 
Not der Bedürftigen, Kranken und Elenden zu lindern und gemeinnützige 
Bestrebungen mannigfachster Art zu fördern. Zu Meiner besonderen Freude 
ist dabei auch der in unseren Kolonien segensreich wirkenden christlichen 
Missionen und der mit Glücksgütern nicht gesegneten Veteranen aus großer 
Zeit dankbar gedacht worden. So ist Mein Regierungsjubiläum zur Quelle 
eines Segensstromes für die Deutschen Lande noch für kommende Ge- 
schlechter geworden. Beglückt und bewegt durch die Begeisterung, mit der 
Mein Ehrentag als ein nationaler Festtag gefeiert worden ist, spreche Ich 
jedem einzelnen, welcher Meiner so freundlich gedacht und zur Erhöhung 
der Festesfreude beigetragen hat, auf diesem Wege Meinen wärmsten Dank 
aus. Ich werde auch ferner für das Wohlergehen des Deutschen Volkes 
gern Meine volle Rraft einsetzen, solange Gott der Herr sie Mir erhalt. 
Er aber wolle Mein Wirken und Streben mit Seinem Segen begleiten und 
das teure Vaterland allezeit in Seine gnädige Obhut nehmen. Ich ersuche 
Sie, diesen Erlaß alsbald zur öffentlichen KRenntnis zu bringen. Neues 
Palais, den 19. Juni 1913. gez. Wilhelm 1. R.“ An den Reichskanzler.
	        
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