Das Deusche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 25.) 267
25. Juni. (Reichstag.) Gesetzentwürfe über Reichs= und
Staatsangehörigkeit, einheitliches Wechselrecht, Entschädigung der
Schöffen und Geschworenen. Zweite Lesung des Gesetzentwurfs über
den einmaligen Wehrbeitrag.
Dritte Beratung der Entwürfe eines Reichs= und Staats-
angehörigkeitsgesetzes und der dazu gehörigen Novellen zum Reichs-
militärgesetz und zum Gesetz, betreffend Abänderungen der Wehrpflicht von
1888: Im § 34 wird auf Antrag aller Parteien der im Entwurf offen
gelassene Termin für das Inkrafttreten des Gesetzes mit dem 1. Januar
1914 bestimmt. Im übrigen wird das Gesetz ohne Debatte unverändert
nach den Beschlüssen zweiter Lesung angenommen. In der Gesamtabstim-
mung wird das Gesetz im ganzen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten
und Polen angenommen. Die dazu gehörige Novelle zum Reichs-
militärgesetz und zum Gesetz über die Wehrpflicht wird ohne De-
batte in dritter Lesung im einzelnen und in der Gesamtabstimmung im
ganzen mit derselben Mehrheit angenommen. — Von den Abgg. Basser-
mann (Nl., u. Gen. ist noch folgende Resolution eingebracht worden: „Den
Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die Errichtung einer Stelle bei dem Aus-
wärtigen Amt herbeizuführen, welche insbesondere allen im Auslande lebenden
ehemaligen Deutschen zur Wiedererlangung ihrer deutschen Staatsangehörig-
keit Auskunft und Rat gewährt, sowie die deutschen Vertretungen im Aus-
land zur tätigen Beihilfe an zuweisen.“ Die Resolution wird angenommen.
Erste Beratung des Abkommens zur Vereinheitlichung des
Wechselrechts vom 23. Juli 1912 nebst der zugehörigen einheitlichen
Wechselordnung. In zweiter Beratung wird das Abkommen ohne Debatte
angenommen. — Der Gesetzentwurf, betreffend die Entschädigung der
Schöffen und Geschworenen wird in dritter Beratung nach den Be-
schlüssen zweiter Lesung endgültig ohne Debatte einstimmig angenommen.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs über den einmaligen außer-
ordentlichen Wehrbeitrag: Die Budgetkommission hat darüber umfang-
reichen schriftlichen Bericht erstattet. Referent ist Abg. Graf von Westarp.
§ 1 bestimmt nach den Beschlüssen der Kommission: „Zur Deckung der Kosten
der Wehrvorlage wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes ein einmaliger
außerordentlicher Beitrag vom Vermögen und bei den in § 11 genannten
Personen l(auch Nichtreichsangehörige und Deutsche, die sich im Auslande
aufhalten) auch vom Einkommen erhoben.“
Staatssekretär des Reichsschatamts Kühn: Der Grundgedanke des
Entwurfs der Regierung über den einmaligen Wehrbeitrag ist bei seinem
Bekanntwerden auf allgemeine Sympathien gestoßen. Gegen die Art der
Besteuerung sind viele Angriffe gerichtet worden, indem man von einem
Mangel an ausgleichender Gerechtigkeit gegenüber den Steuerzahlern sprach.
Die Kommission hat dem Mangel abzuhelfen versucht und sie ist in das
entgegengesetzte Extrem verfallen. Wenn das Ergebnis der Kommissions-
beratungen trotz langer Arbeit und trotzdem alle Parteien dabei Konzessionen
gemacht haben, nicht die allgemeine Zustimmung findet, dann beweist dies
nur die Richtigkeit des von mir schon bei der Einbringung der Vorlage
ausgesprochenen Satzes, daß es nicht möglich ist, mit einer direklen Steuer
die Leistungsfähigkeit der Steuerzahler vollauf gerecht zu erfassen. Das
würde nur denkbar sein, wenn es gelingt, daß jeder nach seiner ganzen
persönlichen und wirtschaftlichen Lage besonders eingeschätzt werden kann,
was naturlich nicht möglich ist. Die Regierung hat das Vermögen im
wesentlichen auf breitester Grundlage erfassen wollen. Die Kommission hat