Das Denisqhe Reiq und seine einzeluen Glieder. (Oktober 18.) 331
Der Erste Vorsitzende des Deutschen Patriotenbundes und geistige
Schöpfer des Denkmals, Kammerrat Klemens Thieme, hielt folgende An-
sprache: „Euere Königliche Majestät, deutsche Brüder, deutsche Schwestern!
Wir treten mit Beten vor Gott den Gerechten! Sinn und Gemüt bewegt
die Stimme der Weltgeschichte, des Weltenlenkers. Denn heute vor hundert
Jahren erbrausten um diese Stunde über dies Blachfeld die Donner des
Weltgerichts. Wir treten mit Beten vor Gott den Gerechten, die deutschen
Fürsten und das deutsche Volk, innig verbunden durch das Band gegen-
seitiger Liebe und Treue. Wir beugen in Demut unsere Knie vor dem
Allmächtigen, der vor hundert Jahren die Waffen der Verbündeten segnete
und ihnen den Sieg verlieh im Kampf um die Freiheit des heißgeliebten
Vaterlandes. Gott war gerecht, Gott war mit uns, Gott macht uns frei!
Er erleuchtete die Herzen der Deutschen, er führte die Scharen zur Erhebung
und zum Siege, ihm sei die Ehre! Unvergänglich stehe da oben die In-
schrift: Gott mit uns!“ Nach einer Schilderung des Aufflammens der
Freiheitsbewegung in allen Teilen Deutschlands fährt Redner fort: „Hundert
Jahre sind ins Meer der Vergangenheit dahingeflossen, vieles ist ins Meer
der Vergessenheit gesenkt worden, doch das Andenken an die Leipziger Schlacht
und an die Helden der Befreiungskriege blieb bestehen. In den Herzen des
Volkes erwuchs ihnen ein dauerndes Denkmal, ein lebendiges Ehrenmal
deutscher Dankbarkeit. Deutschland vergißt seine Helden nicht. Aber was
in der Seele sorgsam geborgen liegt, verlangt nach einem gewaltigen, sicht-
baren Wahrzeichen. Einmal muß es urkräftig zum Ausdruck gebracht werden,
zur Gestaltung gelangen, und sollte es einhundert Jahre währen. Nie stirbt
ein großer menschlicher Gedanke! Wohlan! Hier steht der zu Stein ge-
wordene Wille des Volkes, das sichtbare Zeichen der Dankbarkeit gegen Gott
und unsere Heldenväter für unsere Freiheit und unser nationales Sein!
Gewaltiger Zeiten gewaltiges Zeichen, — den gefallenen Helden ein Ehren-
mal, — dem deutschen Volke ein Ruhmesmal, — kommenden Geschlechtern
ein Mahnzeichen! —, hoch und hehr, wie die Taten der Mütter und Bäter,
die Gut und Blut einsetzten für die Rettung des Vaterlandes. Am Schlachten-
bild verkörpert Michael die siegreiche Erhebung des deutschen Volkes.
Stumm trauern in der RKrypta die in Stein gemeißelten Krieger um die
im Kampfe gefallenen Helden und halten die Totenwacht. Im Ruhmesmal
offenbaren sinnbildliche Gestalten die hehren Eigenschaften des deutschen
Volkes, die zur gewaltigen Erhebung und zum Siege führten. Opferwillig-
keit, Tapferkeit, Glanbensstärke und deutsche Volkskraft. Hoch darüber wölbt
sich das Mahnzeichen mit den zwölf Riesengestalten, Hüter der Freiheit und
Stützen des Reiches zugleich. So hat das deutsche Volk sein Denkmal für
die Befreiung aus großer Not sich selbst zur Ehre errichtet. Nicht nur zur
bloßen Feier einer flüchtigen Stunde der Erinnerung sind wir hier ver-
sammelt: Nein! Dies Denkmal soll des deutschen Volkes Jube lfeiertat sein,
berufen, durch Jahrhunderte sortwirkend, deutschem Sinn und Geist zu dienen.
Was ist alle äußere Verherrlichung, wenn nicht aus dem Andenken an der
Väter Taten immer wieder neue Begeisterung in den Enkeln erwacht?!
Was einst Ernst Moritz Arndt sagte, muß Wahrheit für alle Zukunft bleiben:
Das Völkerschlachtdenkmal muß die Irminsul des deutschen Volkes sein,
wohin es am 18. Oktober jedes Jahres seine Schritte und seine Gedanken
lenkt, daß alle daran erinnert werden, daß sie Brüder eines Stammes und
einer Liebe sind und daß sie hinfort deutsche Liebe und Treue nächst Gott
als das Heiligste und Höchste zu achten und zu lieben haben. Eingedenk
dieser Mahnung weihe ich dieses Denkmal den Manen der großen Zeit,
daß die Väter in den Söhnen leben! Und so legen wir als treue Söhne
des Vaterlandes heute am Hundertjahrestage der Völkerschlacht im Geiste