342 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 29. 30.)
Die Regierungsvorlage betr. Festsetzung der landesfürstlichen Rente
auf 1125322,67 Mark wird debattelos angenommen.
Staatsminister Hartwieg verliest die Verzichtsurkunde des Herzogs
von Cumberland. Darin heißt es: „Nach dem am 18. Oktober 1884 er-
folgten Ableben Unseres Oheims und Vetters, des Herzogs Wilhelm zu
Braunschweig und Lüneburg usw., ist Uns als nächstem Thronfolgeberech--
tigten das Recht auf den Thron des Herzogtums Braunschweig kraft der
in Unserem fürstlichen Gesamthause Braunschweig und Lüneburg bestehenden
Rechte überkommen. Die Regierung im Herzogtum Braunschweig konnte
von Uns nicht ausgeübt werden, da vom Bundesrat Unsere Behinderung
zur Ausübung der Regierung ausgesprochen wurde. In der Voraussicht,
daß der Bundesrat gegen den Regierungsantritt Unseres vielgeliebten
Sohnes Ernst August, Herzogs zu Braunschweig und Lüneburg, von Reichs-
wegen Bedenken nicht mehr erheben werde, verzichten Wir hiermit feierlichst
auf die Uns überkommenen Rechte auf den braunschweigischen Thron und
übertragen diese in vollem Umsange auf Unseren vielgeliebten Sohn Ernst
August Herzog zu Braunschweig und Lüneburg usw.“
Nach der Verlesung der Urkunde fuhr der Staatsminister fort: „Wir
hatten in Rathenow gestern Gelegenheit, dem Prinzen Ernst August über
eine ganze Reihe von Angelegenheiten Vortrag zu halten. Wir gewannen
von Sr. Kgl. Hoheit die Ueberzeugung der absoluten Zuverlässigkeit, daß
jedes Wort, das er gesagt, von ihm getreulich gehalten wird. Weitere Er-
klärungen von Sr. Kgl. Hoheit zu erwarten, ist nicht tunlich. Wir haben
die Sicherheit, daß Se. Kgl. Hoheit völlig loyal seinen Verpflichtungen nach-
kommen wird und daß nicht die geringsten Zweifel bestehen, daß er den Wünschen
und Hoffnungen der Landesversammlung entsprechen werde. Unter völliger
Wahrung der Interessen Preußens und des Reiches dürfen wir einer ge-
segneten glücklichen Zukunft entgegensehen. Wir können mit größter Zuver-
sicht der Zukunft entgegensehen und brauchen keinen Zweifel an der Bündnis-
treue Sr. Hoheit zu hegen. Er wird alles tun, um das Herzogtum zu för-
dern. Worte helfen dabei nichts, Taten müssen es beweisen.“
29. Oktober. (Hannover.) Das Welfenblatt, die „Deutsche
Volkszeitung“, zur Lösung der braunschweigischen Frage:
Die Welfen werden die im Jahre 1906 ausgesprochene Zuversicht
des Herzogs von Cumberland, die Hannoveraner würden alles unterlassen,
was die Stellung seines jüngsten Sohnes in Braunschweig erschweren könne,
nicht enttäuschen. Man werde zwar auch ferner auf der Wacht stehen für
deutsches Recht und deutsche Treue, für das monarchische Prinzip und den
wahren Reichsgedanken, aber der braunschweigische Landesherr werde außer-
halb der politischen Kämpfe des Tages bleiben.
29. Oktober. (Hamburg.)
Die Universitätsvorlage des Senats ist von der Bürgerschaft
mit 80 gegen 73 Stimmen abgelehnt worden. Angenommen wurde
ein Antrag auf Ausbau des Kolonialinstituts und des Vorlesungs-
wesens.
30. Oktober. (Bayern.) Abgeordnetenkammer. Verfassungs-
rechtliche Aufhebung der Regentschaft.
Erklärung des Ministerpräsidenten Frhr. v. Hertling: „Die Vor-
lage ist von ungewöhnlicher Tragweite. Nach eingehender Beratung hat
die Staatsregierung sich zu dem Schritt entschlossen. Sie ist sich ihrer