Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 30.) 343
Verantwortlichkeit vollkommen bewußt. Im monarchischen Staat ist die
Regentschaft wegen der dauernden Regierungsunfähigkeit des Monarchen
stets ein anormaler Zustand. Sie wird zu einem Unglück, wenn diese
Einrichtung eine dauernde zu werden droht. Daß dieser Zustand in Bayern
beendet werden möge, ein Zustand, der ja schon auf lange Jahre zurück-
geht, dieser Wunsch ist nicht etwa heute entstanden, er ist nicht neu, er
ist längst gehegt und zum Ausdruck gebracht worden.“
Der Ministerpräsident erinnert weiter daran, daß das Abgeordneten-
haus sich schon im Jahre 1897 mit der Frage beschäftigte, daß aber Prinz-
regent Luitpold den bestehenden Zustand nicht geändert wissen wollte. In
der Regentschaft ist inzwischen ein Wechsel eingetreten. Der alte Wunsch
besteht fort. Er ist in letzter Zeit sogar mit besonderer Lebhaftigkeit hervor-
getreten. Der monarchische Gedanke, die Empfindung weiter Volkskreise,
die Stellung Bayerns nach außen, sie alle verlangen, daß an der Spitze
des Königreichs regierungsfähige Monarchen stehen mögen. Die Staats-
regierung würde sich einer Pflichtversäumnis schuldig machen, wenn sie
diesen Verhältnissen nicht Rechnung tragen wollte. Daß aber eine Aende-
rung dieses Zustandes nur auf dem Wege der Verfassungsänderung möglich
sei, das ist die einstimmige Ueberzeugung des Ministeriums. Die Ver-
fassungsänderung betrifft nur einen einzigen Punkt. Die Vorlage hütet sich,
irgendwelche anderen Punkte als diesen einen zu berühren. Artikel 21 Titel II
der Verfassung, der von der Dauer der Regentschaft spricht, berührt den
Fall nicht, daß das Hindernis, welches zur Einführung der Regentschaft
geführt hat, ein unaufhebbares ist. Hier muß also die Verfassungsänderung
eintreten. Die Vorlage schlägt einen Zusatz zu § 21 vor, worin die Voraus-
setzungen für eine Beendigung der Regentschaft genau bezeichnet sind. Diese
Voraussetzungen sind: daß die Regentschaft eingetreten ist infolge eines
geistigen oder körperlichen Gebrechens des Monarchen, daß die Regentschaft
gedauert hat länger als zehn Jahre und daß die Beseitigung dieses Hinder-
nisses als ein nach menschlichem Ermessen absolut nicht zu erwartendes sich
darstellt. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann kann der Regent die
Regentschaft als beendet erklären. Er kann, es ist seinem Ermessen anheim-
gestellt, er kann es, weil er schon während der Regentschaft der stellvertretende
Inhaber der vollen königlichen Gewalt war. Er kann es, aber er muß nicht.
Es ist seinem Ermessen anheimgestellt, dann, wenn er diesen Zeitpunkt als
geeignet hält, die Regentschaft für beendet zu erklären. Der Landtag ist
unverzüglich einzuberufen, und es sind ihm die Gründe, die zur Ueber-
zeugung von der Unaufshebbarkeit des Hindernisses, das seinerzeit zur Ein-
führung der Regentschaft geführt hatte, darzulegen. Der Landtag wird
aufgefordert, seine Zustimmung zu diesen Gründen zu erklären. Das ist
der Sinn des kurzen Zusatzes zu § 21, den wir Ihnen heute zu unter-
breiten die Ehre haben. Nun liegt es an Ihrer wohlbekannten ernsthaften
Pflichterfüllung, an Ihrer patriotischen Hingabe, den schweren und ver-
antwortungsvollen Schritt, den die Regierung unternommen hat, zu gutem
Ende zu führen. (Bravo! i. Z.)
Abg. Lerno (Z.: Wir stimmen der im vorliegenden Gesetzentwurf
vorgeschlagenen Verfassungsänderung zu und haben uns nach wiederholten
eingehenden Beratungen zu dieser Stellungnahme entschlossen. Eine noch
längere Dauer der jetzt mehr als 27 Jahre bestehenden Regentschaft erachten
wir als dem Interesse des Landes und der Stellung Bayerns im Reich
für nicht förderlich. Die Auffassung des Entwurfs entspricht nach unserer
Anschauung dem monarchischen Gedanken. Sie bietet Garantien gegen jeden
Versuch einer mißbräuchlichen Anwendung. Die Mitwirkung des Landtages
erscheint gesichert. Es ist unser aufrichtigster Wunsch, daß diese Verfassungs-