Das Dentsqe Reiq und seine einzelnen Glieder. (Dezember 3.) 383
Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um die elsaß-lothringischen
Soldaten und die Bevölkerung Elsaß-Lothringens vor Beleidigungen zu
schützen, wie sie sich ein Osfizier des Infanterieregiments Nr. 99 in Zabern
ihnen gegenüber hat zuschulden kommen lassen? Hält der Herr Reichs-
kanzler die Strafe, die über diesen Offizier verhängt worden ist, für eine
Sühne, die geeignet ist, der Wiederholung solcher Fälle vorzubeugen?
M. H., es ist erstaunlich, mit welcher Virtuosität die gesamten hier in
Betracht kommenden militärischen Vorgesetzten und Behörden den psycho-
logischen Augenblick verpaßt haben, aufklärend und beruhigend zu wirken.
All das Unangenehme hätte verhütet werden können, wenn von vornherein
die in Betracht kommende Stelle die strenge Untersuchung des Falles an-
gelündigt und dann durchgeführt hätte. Eine solche Erklärung würde
nder gewirkt haben. Statt dessen aber hat man sehr lange Zeit dazu
gebraucht, um die Sprache zu finden, und als man sie fand, da war die
Erklärung des Obersten eine förmliche kameradschaftliche Inschutzuahme des
Leutnants v. Forstner und, soweit sie sich mit der Sache selbst befaßte,
eine Abwehr ohne jede Beweiskraft. M. H., daß vom Obersten v. Reuter
nicht mehr zu erwarten war, konnte man voraussehen. Die elsaß-lothringische
Bevölkerung hat auch nicht geglaubt, daß etwa der kommandierende General
v. Deimling energisch zugreifen würde, um ihre beleidigte Ehre wieder her-
zustellen. Unverständlich aber ist uns, daß auch der Kriegsminister hier
kein Wort des Bedauerns über diesen unglückseligen Leutnant hat finden
können. Verdient vielleicht die Zaberner Bevölkerung diese Rücksichtnahme
nicht? Meine Vorredner haben bereits betont, daß die Zaberner Bevöl-
kerung zu der friedlichsten, zu der ruhigsten gehört, die wir im Elsaß haben.
Mehr als unsere Beteuerung dürfte vielleicht nach dieser Richtung hin die
Konstatierung der Tatsache wirken, daß Zabern es war, das während langer
Jahre den Reichsparteiler Dr. Hoeffel hier in den Reichstag delegiert hat.
Diese Tatsache scheint den konservativen Parteien heute völlig entschwunden
zu sein, gehört doch ihre Presse zu derjenigen, die dem beleidigten elsaß-
lothringischen Volke nicht nur keine Sühne geben will, sondern nach den
härtesten Bedrückungsmaßregeln ruft. Daß die Zaberner Bevölkerung bis-
her mit der Garnison im tiefsten Frieden gelebt hat, ist bereits betont
worden. Es ist Ihnen gesagt worden, daß der frühere Oberst Barth heute
noch sein Domizil in Zabern hat. Dieser Herr ist geborener Badener, hat
aber laut und offen erklärt, in Elsaß-Lothringen seine zweite Heimat ge-
funden zu haben und sich von den Zabernern, die ihm lieb und wert ge-
worden sind, nicht trennen zu wollen. Ebenso haben andere Offiziere ge-
handelt, die früher beim 99. Regiment gestanden haben. Dieses gute Ein-
vernehmen von Grund aus zu zerstören, blieb einem blutjungen Leutnant
und einem weltfremden Oberst vorbehalten. Einsicht, Reise und Selbstzucht
sind Begriffe, die dem Leutnant v. Forstner vollkommen fremd sind. Des-
halb vermag er auch nicht, seine Sergeanten und seine Soldaten zu diesen
Tugenden anzuhalten und zu erziehen. Um so ausgeprägter aber ist bei
ihm das Maulheldentum. Schon wenige Tage nach seiner „Wackes“-Leistung
got Leutnant v. Forstner die französische Fremdenlegion mit einem Aus-
pruch belegt, der in so niedrigem Kurse steht, daß ein anständiger Mensch
sich schämen sollte, ihn in den Mund zu nehmen. Ein Vorgesetzter, der
einen solchen Ausdruck in der Instruktionsstunde gebraucht, vergeht sich
nicht nur in der Achtung gegenüber seinen Soldaten, sondern auch in der
Achtung, die er seinem Stande schuldig ist. Er beweist ferner damit, daß
er nicht zum Erzieher von Rekruten geeignet ist. Und damit, m. H.,
komme ich zu einem Punkte allgemeiner Art. Als ich die Ehre hatte, des
Kaisers Rock zu tragen — und ich trug ihn mit Stolz —, da war es