408 Das Dentsqhe Reith und seine einzelnen Glieder. (Dezember 9.)
wenn die Würde es von ihnen fordert. M. H., was den Reichskanzler
v. Bethmann Hollweg hier fesselt, das ist ein Fetisch, das ist der Fetisch
des persönlichen Regiments. Jede im Amt befindliche Regierung kann von
sich sagen, bei diplomatischen Verhandlungen stehe hinter ihr das Volk.
Nun sind die Diplomaten höfliche Leute, die auch Selbstbeherrschung haben
sollen. Aber wie denn nun, wenn trotzdem bei diplomatischen Verhand-
lungen sich auf das Gesicht ausländischer Diplomaten ein spöttisches Lächeln
stiehlt, sobald der Reichskanzler davon spricht, daß er das deutsche Volk
hinter sich habe? Und was, wenn die ausländische Presse sagt: Herr
v. Bethmann ist ein großer Staatsmann, er hat es fertig gebracht, die
ganze deutsche Nation zu einigen, aber nicht unter seine Führerschaft, son-
dern gegen sich? Herr Reichskanzler, könnten Sie sich davon eine besondere
Vertretung, eine Erhöhung des Ansehens des Deutschen Reichs vor dem
Ausland versprechen? Unsere Ablehnung des Etats wird diesmal noch eine
ganz andere Resonanz finden als sonst. Man wird sich sagen: was ist der
Etat? Zum großen Teil eine Geldbewilligung für den Kriegminister
v. Falkenhayn. Es ist selbstverständlich, daß diesem Manne kein Pfennig
bewilligt werden darf. Es wäre eigentlich selbstverständlich, daß die An-
träge, die wir schon vor der endgültigen Abstimmung des Etats stellen
werden, nämlich die Gehälter des Reichskanzlers und Kriegsministers zu
streichen, von Ihnen einstimmig angenommen werden müßten.
Reichskanzler v. Bethmann Hollweg: Auf einige Ausführungen
des Vorredners muß ich doch sofort antworten. Er hat gemeint, die Wah-
rung meiner Würde müsse es mir gebieten, zu demissionieren. Ich ersuche
Herrn Scheidemann, es meiner eigenen Beurteilung zu überlassen, was zur
Wahrung meiner Würde notwendig ist. Der Vorredner hat weiter gefragt,
wie ich wohl glauben könnte, vor dem Auslande die Autorität zu besitzen,
um die auswärtige Politik Deutschlands zu vertreten. Auch die Sorge
hierüber möge mir der Vorredner ganz allein überlassen. Ich habe das
Vertrauen in das Ausland, daß es in dieser Beziehung anders denkt als
der Abgeordnete Scheidemann. Dies waren indes nur nebensächliche Punkte,
auf die ich beiläufig antworten wollte. Verwahrung aber muß ich dagegen
einlegen, daß der Vorredner durch seine Ausführungen unsere verfassungs-
rechtlichen Zustände zu verschieben und zu verdunkeln bemüht war. Da-
gegen muß ich im ersten Moment Verwahrung einlegen. Er hat sich Mühe
gegeben, der Mehrheit des Reichstages klar zu machen, daß sie nach dem
sogenannten Mißbilligungsvotum, das die Mehrheit dieses Reichstages be-
schlossen hat, entweder nicht mehr mit mir verhandeln dürfe oder sonstige
Mittel ergreifen müsse, daß ich von meinem Platze abtrete. Das setzt einen
Zustand unserer verfassungsrechtlichen Verhältnisse voraus, den wir nicht
haben. Was bedeutet denn der sogenannte Antrag, der an die Inter-
pellationen geknüpft wird? Als dies vor eineinhalb Jahren beschlossen
wurde, waren sich alle Parteien darüber einig, daß mit diesem Antrage
lediglich bezweckt werden sollte, festzustellen, wie die Mehrheit des Reichs-
tags denke über den verhandelten Gegenstand lediglich im Interesse des
Reichstages. Es ist aus dem Reichstage selbst behauptet worden, daß der
Reichstag selber bei früheren Verhandlungen von Interpellationen häufig
nicht gewußt habe, wie sich die Sache verhalte. Ich erinnere mich, daß es
der Abgeordnete Gröber war, der den Vergleich mit dem Hornberger
Schießen auf die Interpellationen angewandt hat. Und selbst die Herren
Sozialdemokraten — ich habe mir während der Rede des Herrn Scheide-
mann die Sache heraussuchen lassen — haben die Ansicht ausgesprochen,
daß mit dem Antrag, der sich an die Interpellation knüpft, absolut nichts
Neues eingeführt werden solle. Selbst der Abgeordnete Ledebour, und das