Das Bessche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 10.) 417
Einnahmen bestritten werden können. Und das ist denn auch in reichem
Umfange geschehen. Im Jahre 1913 ist der Wehrbeitrag in Anspruch ge-
nommen mit 416,8 Millionen Mark, im Jahre 1914 mit 393,8 Millionen,
zusammen mit 810,6 Millionen Mark. Nach einer Berechnung der Einzel-
EW die ich nicht vortragen will, waren von der Summe des Jahres 1913
ir fortlaufende Ausgaben der Heeresvorlage 27,3 Millionen bestimmt. Nach
der ausdrücklichen Angabe des Etatsentwurfs von 1914 sind im Jahre 1914
für fortlaufende Zwecke 125 Millionen bestimmt. Für fortlaufende Aus-
gaben sind also vom Wehrbeitrag bereits 152,3 Millionen Mark in Anspruch
genommen. Was zunächst die finanzielle Seite dieses Verfahrens betrifft, so“
hat der Herr Schatzsekretär in seiner Rede vor acht Tagen gesagt, die
Kommission sei davon ausgegangen, daß der Wehrbeitrag 1200 Millionen
Mark erbringen werde. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen.
Wir haben uns in der NKommission ausführlich über die Rentabilitäts-
berechnungen unterhalten und haben alle unsere Beschlüsse über die Tarif-
sätze, über die heranzuziehenden Objekte immer unter ausdrücklichem Ein-
gehen auf diese Rentabilitätsberechnungen gefaßt und sind dabei immer
nur zu dem Resultat gekommen, daß der Wehrbeitrag 1000 Millionen,
niemals aber zu dem Resultat, daß er 1200 Millionen ergeben werde. Erst
als sich bei der Beschlußfassung über die weiteren Steuergesetze heraus-
stellte, daß bei diesen Gesetzen für die Jahre 1914 bis 1917 ein Betrag
von 200 Millionen Mark fehlen würde, erst da hat man den § 69 des
Wehrbeitragsgesetzes beschlossen, von dem ich vorhin gesprochen habe. Erst
da hat man gesagt, nicht etwa: der Wehrbeitrag wird 1200 Millionen Mark
erbringen, sondern wenn er 1200 Millionen erbringt, dann sollen auch die
200 Millionen, die fehlen, aus dem Wehrbeitrag gedeckt werden. Was der
Wehrbeitrag erbringen wird, darüber zu prophezeien ist augenblicklich ein
undankbares Unternehmen. Das eine wird man sich wohl vergegenwärtigen
müssen, daß der Kursstand aller Wertpapiere augenblicklich auf einem recht
niedrigen Niveau steht. Sehr mit Recht hat der Reichsschatzsekretär darauf
hingewiesen, daß unter keinen Umständen der Wehrbeitrag die Veranlassung
geben darf, nun neue Ausgaben in Aussicht zu nehmen mit der Absicht,
sie beguemerweise auf den Wehrbeitrag abzuwälzen. Der Staatsminister
v. Hertling hat sich über den Gedanken neuer Rüstungsausgaben aus-
gesprochen, und er hat seine warnende Stimme vor neuen Rüstungen er-
hoben. Unseren Wünschen würde es auch entsprechen, wenn in den nächsten
Jahren es sich nicht als notwendig herausstellen sollte, neuen Rüstungs-
ausgaben näherzutreten. Das eine aber müssen wir nicht nur als Wunsch,
sondern als grundsätzliche Stellungnahme mit Entschiedenheit aussprechen,
daß, wenn neue Rüstungen erforderlich werden sollten, der Wehrbeitrag
weder eine Erhöhung, noch eine Wiederholung erfahren darf, und daß auch
eine Verwendung, die für ihn nicht von vornherein vorgesehen war, für
etwaige neue Rüstungszwecke nicht in Frage kommen kann. Ich wende
mich nun zu allgemeinen politischen Erörterungen. Als unser verstorbener
Fraktionsführer Graf v. Kanitz am 2. Dezember v. J. und am 8. April d. J.
die auswärtige Politik besprach, hob er beide Male hervor, daß, wenn der
Krieg der Balkanvölker mit der Türkei zu Ende geführt sei, dann eine neue
Gefahr ihr Haupt erheben würde, indem dann der Streit um die Beute
zwischen den Verbündeten einsetzen würde. Diese Voraussage ist wörtlich
eingetroffen. Wir haben den zweiten Balkankrieg erlebt. Und dabei ist
auch der andere Teil der Voraussage des Grafen v. Kanitz eingetroffen,
die Voraussage nämlich, daß dieser Streit um die Beute auf dem Balkan
die Gefahr ernster europäischer Konflikte aufs neue herbeiführen könnte.
Auch diese Voraussage hat sich als richtig erwiesen. Die Enthüllungen
Europäischer Geschichtskalender. LiV. 27