478 Pie österreichisch-ungarische Menarchie. (Dezember 17. 18.)
geradezu demoralisierenden Eindruck machen, wenn die Monarchie weiter
die offenkundigen Rechtswidrigkeiten und Provokationen Serbiens hinnehme.
Sollte Serbien nicht in Bälde die rechtswidrig zurückgehaltenen Bahnstrecken
der Orientbahngesellschaft ausliefern, so dürfte die Monarchie ihre Forde-
rungen mit größerem Nachdruck vertreten.
Delegierter Rakowski: Wenn es richtig ist, daß unser Verhältnis zu
Rußland während der ganzen Zeit ein korrektes gewesen ist, weshalb sind
unsererseits so große militärische Vorbereitungen getroffen worden? Er
richtet an den Minister des Aeußern folgende Fragen: 1. Womit kann der
Minister die großen militärischen Vorbereitungen und Kosten motivieren?
2. Ist der Minister geneigt, über den Zweck und das Ergebnis der Mis-
sion Hohenlohe Auskunft zu erteilen?
Minister des Acußern Graf Berchtold: Was die Mission des Prinzen
Hohenlohe betrifft, so stand sie unter dem Eindruck jenes guten und innigen
Verhältnisses, welches zwischen den Herrschern dieser Monarchie und des
russischen Reiches immer bestand und den politischen Verhältnissen beider
Monarchien häufig die besten Dienste erwiesen hat. Die Wirkung des vom
Prinzen Hohenlohe überreichten allerhöchsten Handschreibens, die Antwort
Sr. Majestät des Zaren, kam auch darin zur Geltung, daß die an der
russisch-galizischen Grenze vorgenommenen militärischen Maßnahmen auf
den normalen Stand herabgesetzt wurden. Was aber die militärischen Maß-
nahmen betrifft, so kann ich Sie auf jene eingehenden und inhaltsreichen
Erklärungen hinweisen, die der Kriegeminister in der Sitzung des Heeres-
ausschusses gegeben hat. Diese wurden im Ausschuß mit allgemeiner Zu-
stimmung angenommen.
Delegierter Rakowski: Wenn die Freundschaft der Monarchen sich
in der Aufstellung von Bajonetten äußert, so habe ich nichts mehr zu sagen.
17. Dezember. (Krakau.) Die Polizei ist einer Bande von
Spionen auf die Spur gekommen, deren Haupt ein in dem russischen
Grenzorte Granica ansässiger gewisser Johann Rudzki war.
Wegen Spionage wurden die Mithelfer Rudzkis, der österreichische
Postbeamte Rudkiewicz, der Militärdeserteur Palonka, die Eisenbahnbeamten
Werbrowski und Kosti und der Arbeiter Bouczkowski verhaftet. Rudzki
konnte über die Grenze laufen, so daß seine Verhaftung mißglückte.
18. Dezember. (Wien.) Der Kaiser hat den neuen russischen
Botschafter v. Schebeko in Antrittsaudienz behufs Entgegennahme
seines Beglaubigungsschreibens empfangen.
18. Dezember. (Cisleithanien.) Die Dlugosz-Stapinski-
Affäre.
In einer galizischen Versammlung der polnischen Volkspartei hatte
der galizische Landsmannminister des Ministeriums Stürgkh von Dlugosz
den Abg. Stapinski beschuldigt, er habe ihm im Laufe mehrerer Fahre
mehrere hunderttausend Kronen für Wahlzwecke, Zeitungen usw. und für
die Unterstützung der Regierung gegeben. Der polnische Sozialdemokrat
Dr. Diamant benutzte die Gelegenheit, um die Geschäfte der Regierung mit
den Abgeordneten, wie er es nannte, zu beleuchten. „Wenn Abg. Stapinski“,
so sagte Dr. Diamant, „vom Minister Dlugosz für im Sinne der Regierung
gelegene Abstimmungen 30000 Kronen erhalten hat, wieviel kostet dann ein
Beschluß in diesem Hause?“ Dann sprach der Beschuldigte Abg. Stapinski
jelbst. Er gab völlig zu, die Gelder erhalten zu haben, behauptete jedoch,