Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Daes Beutsche Keich und seine einzelnen Glieder. (Januar 31.) 37 
Oberverwaltungsgerichts hat die welfischen Bestrebungen für ebenso ge- 
fährlich erklärt wie die sozialdemokratischen. Deshalb muß ich den Minister 
ditten, die Augen offen zu halten und das Beamtentum vor den welfischen 
Lestrebungen zu bewahren. Bei Stichwahlen haben auch Welfen für die 
Sozialdemokraten gestimmt, um sich für Wahlhilfe der Sozialdemokraten 
zugunsten der Welfen in anderen Wahlkreisen zu bedanken. (Rufe rechts: 
Und die Freisinnigen?) Ich glaube, ausreichend den Minister gewarnt zu 
daben. In der Polenfrage stehe ich vollständig auf dem Standpunkt des 
Herrn v. Kardorff. Diese Frage ist lediglich eine preußische Frage, aber 
bei den eigenartigen Bundesstaatsverhältnissen ist es nicht unmöglich, daß 
die eine oder andere Frage eines Bundesstaats im Reichstage besprochen wird. 
Ich bedaure nur, daß der konservative Redner sich nicht den Ausführungen 
des Abg. v. Kardorff angeschlossen und zum Ausdruck gebracht hat, daß 
es böchst bedauerlich ist, wie das Zentrum im Reichstage an dem Miß- 
rrauensvotum gegen den Reichskanzler teilgenommen hat. Hierüber hat sich 
der konservative Redner vollkommen ausgeschwiegen. 
Minister des Innern von Dallwitz: Daß die Welfische Partei 
in Hannover durch die höheren Regierungsbeamten eine Förderung erfahre, 
folgert der Abg. Friedberg aus dem Umstande, daß in der konservativen 
Parteiversammlung in Hannover die anwesenden Beamten den Ausführungen 
des Abg. Strosser nicht widersprochen hätten. Ich habe den Bericht über 
den Verlauf der Versammlung und die Teilnahme der Behörden dabei 
disher nicht erhalten und kann daher authentische Auskunft nicht erteilen; 
ich kann aber mitteilen, daß gerade der Regierungspräsident von Hannover 
in letzter Zeit sehr häufig welfischen Einflüssen ausgesetzt gewesen ist, indem 
dei mir von welsischer Seite über ihn Beschwerde geführt worden ist, weil 
er dem Militärverein von Niedersachsen, der welfischer Velleitäten beschuldigt 
wi-d, mit großer Energie entgegengetreten sei. Behördlicherseits wird also 
weischen Bestrebungen weder mittelbar noch unmittelbar irgendwelche 
Jorderung zuteil, und daran werden wir auch festhalten. 
Abg. Rorfanty (P.): Unser Boykott ist nichts anderes als die 
Antwort auf den Boykott des Staates gegen unsere ganze Nation. Wenn 
einmal einer Ihrer Beamten es wagt, mit einem Polen zu verkehren, dann 
wird er bestraft. Wir erfüllen unsere Pflichten gegen den Staat, aber das 
genügt Ihnen nicht. Wir sollen unseren nationalen Volkscharakter aufgeben, 
das tun wir aber nicht, auch wenn der Abg. Zedlitz hier auftritt, der es 
ausge zeichnet versteht, von dieser Stelle aus die preußische Regierung auf- 
zuhenen. Ein konservativer Abgeordneter hat mir gesagt, daß von deutscher 
und österreichischer Seite die russische Regierung gegen die Polen aufgepeitscht 
würde. Ich kann auch den Namen nennen. Ich habe keinen parlamen- 
tarischen Ausdruck, um dies zu kennzeichnen. Gegenüber der Scharfmacherei 
des Abg. v. Kardorff bemerke ich, daß die administrative Verwaltung in 
PFreußen sowohl gegen Polen als auch gegen Katholiken und Sozial- 
demokraten in einer Weise vorgeht, daß dadurch Entrüstung und Empörung 
geschaffen werden muß. Infolge dieser Scharfmacherei werden Sie die 
Sozialdemokraten nur verstärken. Bei den nächsten Landtagswahlen werden 
Sice seben, wie die Roten dadurch anwachsen werden. Das wissen Sie (zum 
Regierungstisch so gut wie ich. Sie sind die Züchter der Sozialdemokratie. 
Minister des Innern von Dallwitz: Bezüglich des polnischen 
Bonkotts hat der Abg. Korfanty behauptet, daß derselbe eine Folge des 
Enteignungsgesetzes sei. Demgegenüber stelle ich fest, daß die polnische 
Bonkottbewegung seit den 60er Jahren besteht. Wenn sich der Abg. Kor- 
fantn darüber beschwert, daß wir die deutschen Gewerbetreibenden im Osten 
gegenüber den Polen unterstützen, so ist das sehr merkwürdig. Der Abg.
	        
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