Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Frankreich. (Februar 24. 25.) 535 
bündeten isoliert fühle. Wir sind jetzt weit entfernt von der französisch- 
italienischen Extratour, von der einst Fürst Bülow sprach. Der Lieblings- 
walzer San Giulianos ist ein österreichischer oder ein deutscher. Für die 
Franzosen ist es jedenfalls besser, zu wissen, wie sie daran sind.“ 
24. Februar. (Senat.) Der Kriegsminister und der Finanz- 
minister haben in der Finanzkommission um die Genehmigung nach- 
gesucht, 72 Millionen für Luftschiffahrtzwecke, für die Verstärkung 
der Artillerie mit Festungsgeschützen, die eine Reichweite von vier- 
zehn Kilometer besitzen, usw. einzustellen. 
25. Februar. Verleihung des St. Andreasordens und über- 
reichung eines Handschreibens des Zaren. 
Handschreiben des Kaisers von Rußland an den Präsidenten Poincaréê: 
„Herr Präsident! Erhabener, guter Freund! Aus Anlaß Ihrer Wahl zum 
Präsidenten und der Uebernahme Ihres hohen Amtes richte ich meine 
herzliche Gratulation und meine besten Wünsche an Sie. Es liegt mir am 
Herzen, in diesem Augenblick Ihnen von neuem zu versichern, wie sehr ich 
von dem Gedanken durchdrungen bin, daß das französisch-russische Bündnis 
ebenso den Gefühlen wie den Interessen der beiden Völker entspricht und 
nie aufgehört hat, ein wirksamer Faktor für den Frieden Europas zu sein. 
Dieses Bündnis, das dem Herzen der beiden großen Nationen entspricht 
und durch ein zwanzigjähriges fruchtbares Bestehen geheiligt ist, bildet die 
Grundlage der auswärtigen Politik, die ich Meiner Regierung vorgezeichnet 
habe. Damit dieses Bündnis alle Früchte trage, welches es zu bringen 
vermag, erscheinen mir ein beständiges Zusammenarbeiten und eine stete 
Fühlungnahme zwischen den Kabinetten in Paris und Petersburg un- 
erläßlich. In diesem Sinne haben Sie, bevor Sie die höchste Würde der 
Republik bekleideten, das Amt des Chefs der französischen Regierung aus- 
geübt. Glauben Sie, bitte, Herr Präsident, ich weiß Ihnen in ganz be- 
sonderer Weise Dank dafür. Ja, ich wünsche ein neues Zeugnis meiner 
aufrichtigen Anhänglichkeit an Frankreich zu geben und ebenso meine Hoch- 
achtung und meine persönliche Freundschaft für Sie auszudrücken; so gestatte 
ich mir das Vergnügen, Ihnen heute meinen St. Andreas-Orden zu ver- 
leihen, dessen Insignien ich Ihnen hierbei mit meinen besten Wünschen für 
das Gedeihen Frankreichs und das Gelingen der Aufgabe, die Sie auf sich 
genommen haben, überreichen lasse. Genehmigen Sie, Herr Präsident, 
mein erhabener, guter Freund, die Versicherungen meiner vollkommenen 
Hochachtung und meiner hohen Wertschätzung. Ihr guter Freund Nikolaus.“ 
Poincaré erwiderte mit folgendem Telegramm: „Teurer, erhabener 
Freund! Soeben habe ich aus den Händen Eurer Majestät Botschafters die 
Insignien Ihres St. Andreas--Ordens erhalten, und es liegt mir am Herzen, 
Euerer Majestät ohne Verzug den Ausdruck meines lebhaften Dankes zu 
übermitteln. Ich bin tief gerührt durch die Worte des Schreibens, durch 
das Euere Majestät mir dieses glänzende Zeichen der Freundschaft und 
neuerlichen Beweis Ihrer Gefühle Frankreich gegenüber geben. Eure Maie- 
stät können versichert sein, daß ich wie in der Vergangenheit treu an dem 
Bündnis festhalten werde, das Rußland und Frankreich einigt. Indem ich 
meine aufrichtigsten Wünsche für das Glück Euerer Majestät und Ihrer 
Majestät der Kaiserin sowie der ganzen kaiserlichen Familie darbringe, 
bitte ich Sie, die Versicherungen meiner Hochachtung und meiner beständigen 
Freundschaft entgegenzunehmen. Poincaré.“
	        
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