Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Krankreich. (Dezember 9.—14.) 571 
9. Dezember. (Paris.) Der König und die Königin von 
Spanien sind aus London eingetroffen. 
11. Dezember. (Kammer.) Regierungsprogramm. 
In der Erklärung des Kabinetts wird versichert, daß es der Wille 
des Kabinetts sei, sich ausschließlich auf eine Majorität der Linken zu 
stützen. Das Ministerium sei entschlossen, die weltliche Schule zu verteidigen 
und die Gesetze der Republik zur Anerkennung zu bringen. Das Kabinett 
werde sich ferner bemühen, eine Uebereinstimmung zwischen der Kammer 
und dem Senat über die Wahlreform herbeizuführen, aber es müsse darauf 
hinweisen, daß infolge der Kürze der Zeit vor den Wahlen die Frage von 
den Wählern gelöst werden müßte. Hinsichtlich des Dreijahrgesetzes sagt die 
Erklärung, das Gesetz sei angenommen und die Regierung sei daher ver- 
pflichtet, es zur Ausführung zu bringen. Sie sehe nicht, wie sie sich dieser 
Verpflichtung, die ihr durch den gemeinsamen Willen des Senats und der 
Kammer diktiert worden sei, entziehen könne. Sie werde daher das Drei- 
jahrgesetz in loyaler Weise zur Anwendung bringen, um so mehr, als die 
Umstände, unter denen das Gesetz angenommen worden sei, noch immer 
vorhanden seien. Was die auswärtige Politik betrifft, wird in der Er- 
klärung von dem Werte gesprochen, den die Regierung dem Bündnis mit 
Rußland, dem intimen Verhältnis zu England und der Herzlichkeit der 
Beziehungen Frankreichs zu den anderen Mächten beimißt, und daß Frank- 
reich den Wunsch habe, zum allgemeinen Frieden beizutragen, ohne indessen 
zu dulden, daß man seine Würde antaste. 
11. Dezember. Das Appellationsgericht von Orleans hat den 
Erzbischof von Reims, Kardinal Lucon, wegen seines im Jahre 1909 
erlassenen Hirtenbriefes über die Glaubensgefährlichkeit der weltlichen 
Volksschule zur Zahlung eines Schadensersatzes von 500 Franken 
an die Lehrervereinigung des Marnedepartements verurteilt. 
14. Dezember. Aus einem Aufsatz des Senators Charles Humbert 
1 „Journal“ über die Aufgabe des neuen Kriegeministers: 
Die französische Armee leidet an drei Uebeln, die an ihr zehren und 
die Tag für Tag ihren Wert im Vergleiche zu den stets wachsenden Rräften 
Deutschlands verringern. Ihre Kadres werden unausgesetzt an Zahl und 
Qualität ärmer, weil die Erhöhung der Bezüge in nicht zu entschuldigender 
Weise verschleppt wird. Sie ist ungenügend ausgebildet und, was noch 
ernster ist, außerstande, ihre Ausbildung zu verbessern, da es ihr an Raum 
und Einrichtungen, Ausbildungslagern, Manöverfeldern, Schießplätzen usw. 
fehlt. Die Wiedereinführung des dreijährigen Dienstes hat diesen Mangel 
bisher nur verschärft, da wir schließlich doch sechshunderttausend Mann 
dort zusammengezogen haben, wo es offenkundig nur für vierhunderttausend 
Platz gab. Schließlich und ganz besonders fehlt es unseren Truppen an 
modernem Material, nicht nur an dem eigentlichen Rüstungsmaterial, son- 
dern an der Gesamtheit der Werkzeuge. Wir haben uns nicht nur hinsicht- 
lich der schweren Feldartillerie, der Belagerungs-, der Festungs= und der 
Küstenartillerie, sondern auch hinsichtlich aller Beobachtungsinstrumente, der 
Verbindungen, Transporte usw. von Deutschland weit überflügeln lassen. 
Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, um uns wieder in der Lage zu 
befinden, im Notfalle die offensive Macht unserer Nachbarn aufszuhalten, 
müßte das Kriegsdepartement sofort nahezu zwölfhundert Millionen aus- 
geben können, ganz abgesehen von den siebenhundert Millionen, die für die
	        
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