Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Belgien. (Januar 10.—Februar 11.) 597 
X. 
Belgien. 
10. Januar. (Kammer.) Die Heeresvorlage wird im Aus- 
schuß mit 6 Stimmen gegen 1 angenommen. (Siehe Jahrgang 1912.) 
23. Januar. (Kammer.) Regierungserklärung zur Wahl- 
rechtsfrage. 
Ministerpräsident de Broqueville führte aus, daß er nicht geneigt 
sei, unter dem Druck der Drohung des Generalstreiks auf die Erörterung 
der Verfassungsrevision einzugehen. Er gab zu, daß die Regierung, bevor 
die Drohung des Generalstreiks vorhanden war, an eine Vereinigung des 
Gemeinde- und des Provinzialwahlrechts dachte, daß sie sich aber auf 
keinerlei Formeln festlege. Für die Gemeinden kann ein Wähler bis zu 
vier, für die Provinz bis zu zwei Stimmen besitzen. Eine Abschaffung des 
Pluralwahlrechts hätte also diese Maßregel nicht bedeutet. 
30. Januar. (Kammer.) Fortsetzung der Beratungen über 
die Verfassungsrevision. 
Abg. Vandervelde (Sd.) macht den Kompromißvorschlag, daß die 
Wahlrechtsvorlage nach dem Antrag des Abg. Hymans (Lib.) einer Kom- 
mission unterbreitet wird, und daß der König seine Autorität einsetzen solle, 
um eine Verständigung zu erzielen und den Generalstreik zu verhüten. 
Abg. Woeste erklärt sich gegen den Kompromißantrag, der einer Anbahnung 
des allgemeinen gleichen Wahlrechts Vorschub leisten würde und deshalb 
prinzipiell verwerflich sei. 
6. Februar. (Kammer.) Ein Hoch auf Frankreich gelegent- 
lich der Beratung über die Verfassungsrevision. 
Der katholische Abgeordnete aus Flandern, Gielen, rief einem anderen 
Redner seiner Fraktion, der von dem französischen Wahlsystem sprach, zu: 
„Frankreich ist eine morsche Republik“ (Republique pourrie). Der Präsident 
der Kammer und der Ministerpräsident protestierten gegen diese Ausdrucks- 
weise, nachdem sie aus der Mitte des Hauses interpelliert worden waren. 
Der Kammerpräsident erhob sich und rief: „Vive la France!“ In diesen 
Ruf stimmte die Kammer ein. 
11. Februar. (Kammer.) Der Kriegsminister erklärte, durch 
das Verbot für die Offiziere, geheimen unpolitischen Organisationen 
anzugehören, habe er zum Ausdruck bringen wollen, daß Offiziere 
nicht Mitglieder von Freimaurerlogen sein könnten. 
13. Februar. (Kammer.) Bei der Beratung der Heeresreform 
kam es zu tumultuarischen Szenen, da die Sozialisten und Liberalen 
sich zur Geheimhaltung von vertraulichen Mitteilungen des Minister- 
präsidenten nicht verpflichten wollten. 
14. Februar. (Kammer.) Die Debatte über die Militärreform, 
für die 51 Redner vorgemerkt sind, wird wieder aufgenommen.
	        
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