Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

608 Nerwegen. (Juni 28, —Juli 31.) 
weniger wichtig sei als eine tunlichst sorgfältige Berücksichtigung der Handels- 
und industriellen Interessen gegenüber dem Auslande. Deshalb beabsichtigt 
die Regierung eine völlige Umgestaltung des norwegischen Auswärtigen 
Amts und der Vertretung in fremden Ländern. 
W. Juni. Das Storthing hat mit 99 gegen 16 Stimmen die 
Genehmigung des Uebereinkommens mit der Marconigesellschaft 
wegen der Errichtung einer drahtlosen Telegraphieverbindung mit 
Norwegen und Amerika angenommen und gleichzeitig 2 Millionen 
Kronen für eine drahtlose Station bei Stavanger bewilligt. 
29. Juni. Durch den einstimmigen Beschluß des Storthings 
haben die Frauen nunmehr das gleiche politische Wahlrecht erhalten 
wie die Männer. 
Bisher waren nur diejenigen Frauen stimmberechtigt, die selbst oder 
deren Männer Steuern für ein jährliches Einkommen von 400 Kronen in 
der Stadt oder 300 Kronen auf dem Lande bezahlt hatten. Jetzt sind da- 
egen Frauen wie Männer gleichmäßig stimm- und wahlberechtigt, wenn 
7 norwegisches Bürgerrecht besitzen, das 25. Lebensjahr erfüllt haben, fünf 
Jahre im Lande wohnhaft gewesen sind und sich im Lande aufhalten. 
Während bisher in Norwegeu rund 300000 Frauen Stimmrecht hatten, 
ist diese Zahl nunmehr um volle 225000 auf insgesamt 525000 gestiegen, 
und tatsächlich überwiegt nun die Anzahl der stimmberechtigten Frauen die 
der Männer um rund 25000. Ein gleichzeitig zur Abstimmung gestellter 
Antrag der Sozialdemokraten, das gesetzmäßige Alter der stimmberechtigten 
Männer sowohl wie Frauen von 25 auf 21 Jahre herabzusetzen, wurde 
dagegen gegen die Stimmen der 23 Sozialdemokraten abgelehnt. Dadurch 
wäre die Anzahl der stimmberechtigten Frauen um weitere 140000 ver- 
mehrt worden. Bei den letzten Wahlen ist keine einzige Frau in das 
Storthing gewählt worden. 
30. Juli. (Balestrand.) Der König zur Frühstückstafel 
beim Deutschen Kaiser. 
31. Juli. (Balestrand.) Einweihung des Frithjofstandbildes. 
Der Kaiser hielt an König Haakon von Norwegen folgende An- 
sprache: „Euere Majestät! Um Ruhe und Erholung von schwerer, ver- 
antwortungsreicher Arbeit zu finden, wandte Ich Mein Schiff nach Norden. 
Mit echter altgermanischer Gastlichkeit nahm Mich das norwegische Volk 
auf, so daß Meine Reisen ihren Zweck vollkommen erfüllen konnten. Es 
drängt Mich, Meiner warmen Dankbarkeit dafür ein sichtbares Zeichen zu 
verleihen. Das fand Ich in dem herrlichen Sagenkreis des Nordens; zwei 
Gestalten taugten Mir besonders gut dafür! Der Beheerscher von Bale- 
strand, König Bele, Ingeborgs Vater, und Fridtiof, der topfere seebefahrene 
Held. Beide stehen nun vollendet. Bele, von des Grafen Goerz kundiger 
Hand geformt, thront auf seinem Grabhügel, Fridtjof, ein Meisterwerk des 
Professor Unger, ragt auf Vangsnaes empor, über dem Grab seiner an- 
gebeteten Ingeborg und dem seinigen. Norweger türmten die Felsen zu 
mächtigem Unterbau, wie auch norwegischer Gärtnerkunst der Blumenschmuck 
entstammt, während deutsche Matrosen Meines Schiffes „Wittelsbach“ 
gemeinsam mit Gladenbecks kundigen Monteuren das Standbild fügten. 
Aber nicht nur ein Zeichen Meines Dankes an Norwegen allein soll dieser 
ragende Recke sein! Nein, ein größere, allgemeinere Bedeutung kommt ihm 
zu. Er soll ein Wahrzeichen für Skandinavier, Deutsche, Angelsachsen und
	        
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